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Kultur: Mit dem Willen zur Botschaft Trümmer und Velojet spielten im Waschhaus

Manchmal werden Erwartungen übertroffen, und dann nimmt man sogar mehr mit nach Hause, als man eigentlich geplant hatte. So war das am Dienstagabend im Waschhaus, wo die recht junge Band Trümmer zum Tourauftakt spielte: Hamburger Jungs, an denen irgendwie auch die Hamburger Schule nicht spurlos vorübergegangen ist.

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Manchmal werden Erwartungen übertroffen, und dann nimmt man sogar mehr mit nach Hause, als man eigentlich geplant hatte. So war das am Dienstagabend im Waschhaus, wo die recht junge Band Trümmer zum Tourauftakt spielte: Hamburger Jungs, an denen irgendwie auch die Hamburger Schule nicht spurlos vorübergegangen ist. Herausgekommen ist astreiner Nachwuchspop mit der Prise Schmackes, die andere Bands ihrer Generation wohl lediglich in die Punkecke gedrückt hätte.

Wenn das unser musikalischer Nachwuchs ist, brauchen wir uns definitiv keine Sorgen zu machen. Auch wenn die Stimme des Sängers vor Jugendlichkeit bebte, hatte die Band einen ganzen Koffer ausgereifter Songs dabei. So muss das sein: Eine gut anzusehende Band voller kreativer Energie, die sich – als wohltuend Mutige innerhalb ihrer Peergroup – auch nicht vor deutschen Texten versteckt. Die waren für die Grünschnäbel fast schon eine Spur zu erwachsen, konnten einen aber schnell fesseln. Trümmer haben den Willen zur Message, die Musik ist um die Texte herumstrukturiert, und an jeder Stelle handwerklich hervorragend gemacht. Hier wird kein pseudo-englisches Tralala ins Mikro gelispelt, sondern subjektiv eingefärbte, identitätskriselnde Songs gebastelt, die weit entfernt von schmonzettiger Teenager-Lovestory-Romantik landen. Würde man bei herkömmlichen Bands zu Textzeilen wie „Ich will die Straßen voller Schmutz und dunkelrotes Licht“ mit den Augen rollen, bauen Trümmer daraus metaphorische Lyrics, die hängen bleiben. Der Sänger war trotz seiner unübersehbaren Jugendlichkeit charismatisch, schlagfertig, unterhaltsam, der Schlagzeuger präzise wie ein Uhrwerk, mit dem glücklichen Gesichtsausdruck eines frisch gebackenen Lottomillionärs, während der Bassist eine herablassende Maskerade trug, die ihm allerdings ausgezeichnet stand. Nach dem Konzert war klar: Da wollen ein paar Jungs raus in die Welt – und zweifellos wird man von ihnen noch zu hören kriegen. Schade nur, dass die Anwesenden vor der Bühne doch ziemlich müde und erstarrt schienen, da hätten Trümmer einen besseren Tourauftakt verdient.

Ach so, es gab ja noch eine zweite Band. Aber Pech gehabt, wer sich so die Show stehlen lässt, muss halt aufsammeln, was übrig geblieben ist. Velojet waren den weiten Weg aus Österreich gekommen, und irgendein Spaßvogel rief lauthals „Ricola!“ in den Raum. Da sieht man mal wieder, wie nah wir eigentlich unseren südlichen Nachbarn sind. Peinlich, peinlich. Von der Bühne schallte unterdessen sehr synthielastige Popmusik, der überambitionierte kopfstimmenlastige Gesang des Sängers war aber eine Spur zu viel des Guten. Velojet haben ein Album in der Einsamkeit einer finnischen Insel aufgenommen, wie sie betonten – und das klang auch so, poppig, verspielt, aber nicht uninteressant. Den Absturz in die Belanglosigkeit konnte Velojet zwar noch aufhalten – aber was sollten sie machen, irgendwie fehlte ihnen der Drive der Vorband. Klar, technisch war das ganz gut arrangiert, aber der Funke zum Herzen wollte einfach nicht überspringen. Gute Menschen sicherlich, mit Hang zur exzessiven Tragik – aber nach jedem Song um eine Nachjustierung des Bühnensounds zu bitten, das hält die wärmende Wirkung der Musik dann irgendwie doch auf. Manche Erwartungen sind eben dazu da, auch mal nicht erfüllt zu werden. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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