zum Hauptinhalt

Kultur: Mit dem Wurstbrot um die Welt

Lisa Bassenge mit deutschen Balladen bei den Potsdamer Jazztagen

Stand:

Da sitzt wieder eine, alleingelassen im Café, schaut den Tauben und den Kellnern zu und fängt an, über ihren Herzensschmerz zu singen: „Und all die Wolken die überm See, fangen an, ihre Tränen auf den Weg zu regnen“. Alltag draußen, große leise Gefühle drinnen. So sind die Lieder von Lisa Bassenge „Hörst du nicht mein Herz?“, fragte die 36-jährige Berliner Jazzsängerin eine verflossene Liebe und ihr Publikum am Samstagabend im Lindenpark.

Mit den deutschen Chansons auf ihrem bereits sechsten Album „Nur fort“ scheint Lisa Bassenge einen Nerv beim Publikum getroffen zu haben, nachdem sie sich bereits in verschiedenen Bandprojekten und Musikstilen von Jazz bis Club-Elektro ausprobiert hat. Schon als sie die Bühne betritt, wird sie von einem erwartungsvollen Applaus begrüßt. Ihre vier Musiker treten im Smoking hinter der üblichen Besetzung von Piano, Bass, einer metallisch glänzenden Gitarre und mit goldglitzerndem Schlagzeug auf. Sie schaffen Salonatmosphäre, mal klingt es nach Standardjazz gemischt mit schmissigen orientalischen Melodien, mal nach Showeinlage, mal nach Chanson und mal poppig soulig, wenn Bassenge die Sugarbabes mit der pompösen Soulnummer „Outboundet“ covert.

Ein bisschen nervös scheint sie auf der Bühne, kann in ihren Gesangspausen nichts richtig mit sich anfangen, hält sich mit beiden Händen an der Mikrofonstange fest. Das wirkt ungewollt ein bisschen verrucht, sieht aber gar nicht so schlecht aus. Die Stimme, nicht die Person Lisa Bassenge ist an diesem Abend die Hauptattraktion. In den Balladen hat sie einen anschmiegsamen, raueren Klang, empfindsam und angenehm schnodderig, in anderen Stücken wird er klar und forderd, alles andere als zerbrechlich. Für ihre eigenen Lieder dichtet Bassenge langsame melancholische Texte über das Zurücklassen, Verlassenwerden und zusammen Durchbrennen.

Dabei orientiert sie sich an ihren auf Deutsch singenden Vorbildern, deren Lieder sie ebenfalls interpretiert: Hildegard Knef mit „17 Millimeter fehlten mir zum Glück“, Rio Reisers „Bye bye Junimond“, Sven Regener mit „Seit der Himmel“ und Udo Lindenbergs „Leider nur ein Vakuum“. Die Wiederentdeckung deutscher Texte ist eine Neueroberung für Lisa Bassenge, die bisher auf Englisch geschrieben und gesungen hat. Mit ihren deutschen Texten fühle sie sich nackt, wie sie im Frühjahr der „Zeit“ erzählte. Ihren Liedern hat der Sprachwechsel nicht geschadet. Ihre Prosa ist anschaulich und einfach, daraus schöpft die Sprache bei Bassenge ihre Kraft. „Mit Wurstbrot am Hafen von irgendwo. Nur fort, nur fort, nur fort“, singt sie im Refrain ihres Titelsongs „Nur fort“. Sie sehnt sich nach dem unbeschwerten, zweisamen Glücklichsein „Komm lass deine Sachen / Lass alles hier“. Der Titelsong ihrer CD ist auch das stärkste Stück an diesem Abend, das die Sängerin ihrem Publikum bis zur Zugabe vorenthält. Lisa Bassenge schlüpft während ihres Auftritts in keine Rolle, bettet ihre Songs in keine Anekdoten. So fühlt sich alles zu sehr nach Liederabend an. Schöne Lieder schön vortragen zu können, erzeugt eben noch keine Gänsehaut.Undine Zimmer

, ine Zimmer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })