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Von Daniel Flügel: Mit der Eleganz eines Holzhammers

Der Roman „Scherben des Glücks“ will das Leben der Wilhelmine von Bayreuth erzählen, präsentiert wird jedoch nur ein süßlich sentimentales Theaterstück

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Wenn Taschenbücher, denen die Seiten schon beim ersten Lesen ausfallen, mit dem Hinweis „Historischer Roman“ versehen sind, kann das nichts Gutes heißen. Eine anregende Lektüre verspricht man sich hier ja durch eine spannende Handlung, glaubwürdige Darsteller und ein nicht allzu verzerrtes Geschichtsbild. Gewiss, selbst der sorgfältigste historische Romancier braucht künstlerische Freiheiten und oft auch blasse Genitivmetaphern; solange der Leser noch Hoffnung hegt auf eine sicht- und erlebbare Wirklichkeit hinter dem drögen Figurenensemble, nimmt er wohl einiges in Kauf. Kann aber auch der Rechercheaufwand des Romanautors nicht über eine beklagenswerte Erzählkunst hinwegtäuschen und schleicht sich eine Umgangssprache ein, die erst recht auf das Fehlen von Bildern aufmerksam macht, gerät die Kurzweil zur Mühsal.

Die in München lebende Dramaturgin und Theaterwissenschaftlerin Cornelia Naumann will mit ihrem Roman „Scherben des Glücks. Das Leben der Wilhelmine von Bayreuth. Ein historischer Roman“ als Unterhaltungsliteratin überzeugen, indem sie versucht das Leben der Schwester Friedrich des Großen in vermeintlich spannenden Episoden zu behandeln. Doch unter einem Berg von Eckdaten und Personenreden brodelt weiter nichts als eine vertiefte Charakteraufnahme in einer so leblosen Erzählwelt, ein süßlich sentimentales Theaterstück im Kleid einer armseligen Prosa.

Anders als der Buchuntertitel zunächst vermuten lässt, wird hier keine Biografie, sondern eher ein Porträt der Wilhelmine von Bayreuth entworfen, darauf sich nur hin und wieder flüchtige Skizzen aus ihrer schweren Kindheit oder den letzten Lebensjahren finden. Zu Beginn dieses historischen Romans ist Wilhelmine bereits eine junge Frau, die seit Monaten in ihrem Zimmer im arg verwahrlosten Berliner Stadtschloss eingesperrt wird, weil sie ihren geliebten Bruder, Kronprinz Friedrich bei seinem berühmten Fluchtversuch unterstützt hat und sich gegen die Heiratspolitik ihrer Eltern auflehnt. Erst als sie ihr Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., ein geiziger, cholerischer Wüterich und ausgemachter Kunstbanause, erpresst, muss Wilhelmine schließlich heiraten und als Markgräfin in spe an den fernen Bayreuther Provinzhof ziehen.

So ausführlich diese schicksalhaften Monate geschildert werden, so gerafft und ruckartig vergehen nun in der zweiten größeren Romanhälfte die fast 24 Jahre, in denen Wilhelmine meist als emsige Kulturschaffende und künstlerisches Allroundtalent mit illustrem Personal plaudert. Freilich – oft ist die Prinzessin auch einsam und klagt über die Intrigen am Hof, den bald untreuen Gatten und darüber, dass ihre Taten nicht pausenlos besungen werden.

Doch auf welchen Scherbenhaufen gründet die Frau am Ende eigentlich ihren Kummer? Im Spiegelscherbenkabinett ihres Lieblingsschlosses, der Eremitage, glaubt sie ihre zerbrochenen Träume, ihre Enttäuschungen zu erkennen, und ein wenig auch die Gründe für ihre sozialen Defizite. Doch wird die Figur der Wilhelmine von Bayreuth so sehr idealisiert, dass kaum Sympathie mit ihrer armen Seele aufflammen möchte. Offenbar wird der Leser ebenso zum Klatschvieh verurteilt wie die Handvoll wichtiger Nebenpersonen aus dem adligen Milieu. Allein die Zofe, an deren Seite Wilhelmines selbstverliebtes, oft hysterisches und wenig herzliches Wesen noch am ehesten reizvoll wirkt, muss als einzige fiktive Nebenfigur in ausgelagerten Episoden mit der Eleganz eines Holzhammers eine allzu obligatorische Elendsmalerei betreiben. Spätestens in seiner offenkundig mangelhaften Erzählkunst nebst dürftigem Vokabular erweist sich das gesamte Buch als peinlicher Unfall.

Dass die gesamte, überwiegend in Räumen stattfindende Handlung durch Dialoge, erlebte Reden und Gedankenmonologe erzählt und transportiert wird, erzeugt Unmittelbarkeit wenn auch unweigerlich einen theatralischen und gestelzten Eindruck. Ein endloses Bühnenstück also? Als Leser nimmt man durchweg an Gefühlswelten teil, ohne dass die Auslöser über ihre Nennung hinauskommen oder etwa in eine fassbar lebendige Erzählwelt integriert werden. Berlin bleibt ein Wort, Potsdam besteht nur aus einer holländischen Kolonie, aber auch in Bayreuth ist das Wetter nur herbstlich und die Angst vor den Dingen sehr groß. Es wird die ganze Zeit erzählt und empfunden, aber kaum etwas beschrieben! Stattdessen wälzt sich durch die luftleeren Räume ein beachtliches Arsenal historischer Figuren, die in bühnenhaften Posen wie auf ein Stichwort kurz erscheinen, um sofort auf ihre Eckdaten festgenagelt zu werden. Da schreiten Gottsched, Bach oder auch Voltaire mit ihren Pappschildern durch die unsichtbare Welt des Rokoko der Wilhelmine, deren Leben, erzählt in einer erschreckend profanen, ja teilweise flapsigen und sogar um Wiederholungen nicht verlegenen Sprache, aus einer unerschütterlichen Aufzählung von Namen, Festen, Musik- und Theaterstücken, Kostümen und Zickenkriegen besteht.

Cornelia Naumann: Scherben des Glücks. Das Leben der Wilhelmine von Bayreuth. Ein historischer Roman, Sutton Verlag, Erfurt 2009, 430 Seiten, 14,90 Euro

Daniel Flügel

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