
© A. Klaer
Kultur: Mit diesem Bonbon gelingt alles Karamelo Santo
trifft den Geschmack
Stand:
Es ist ein grauer Tag. Sprühregen kitzelt die Bäume in Babelsberg. Aus dem Lindenpark strömt lauwarme Luft. Von dem argentinischen Feuer, das hier am Freitagabend brennen soll, entfacht von der südamerikanischen Formation Karamelo Santo, ist noch nichts zu spüren. Vereinzelt beleuchten Scheinwerfer grün, blau, rot und weiß die Bühne. Eine Frau sitzt allein am Rande der Tanzfläche und liest Zeitung. Nur langsam füllt sich der Saal. Die Stimmung ist entspannt, obwohl die Band mit dem verführerischen Bonbonnamen eigentlich schon seit fünfundvierzig Minuten spielen sollte.
Aber dann steigt weißer Nebel auf. Das Licht geht aus: einundzwanzig, zweiundzwanzig - BOOM. Karamelo Santo betritt die Bühne. Impulsiv ertönt der Klang des Schlagzeugs und die Blechbläser – Posaune, Saxofon und Trompete – steigen mit ein. „What''s up, lovely brothers from Potsdam?“, schreit Sänger Guillermo GOY Ogalde in die Menge, die allmählich in Bewegung kommt. Die Tanzfläche füllt sich. An diesem Abend soll gefeiert werden.
Mit einer Widmung des Konzerts an Michael Jackson eröffnen Karamelo Santo das Spektakel. Packender Ska-Rock mit den schneidenden Bläsern von Nahuel Aschei, Martino Gesualdi und Pablo Clavijo umtoben den Gehörgang, Lucas Villafañes burleskes Akkordeon paart sich mit pustender Posaune, schöne Latinrock-Refrains mit der rockigen Vokalinbrunst des Gesangstrios Guillermo Ogalde, Pedro Rosafa und Gody Corominas. Diese wechseln, zeitweise unversehens, zur Rap-Schattierung. Ein Reggae-Interludium mit scheppernder Orgel und dubbigem Tieftönern von Diego Aput flicht nachdenkliche Töne ein. Dazwischen wird es fast volksliedhaft im Salsa-Groove, den die Argentinier – fernab der Karibik – auch souverän und spielfreudig inszenieren können. Ein wenig Polka à la Mexicana ist ebenfalls im Programm. Und wer hätte gedacht, dass Louis Armstrongs „Wonderful World“ oder das ver-ska-te „Papa Noah“, das im Orginal von Seed stammt, auch als zünftige Cumbia funktioniert? Mit diesem Bonbon gelingt alles und es klebt nicht. Das argentinische Feuer ist nun entgültig entfacht und brennt sichtlich in den Herzen des Publikums. Den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, die Arme vom Körper abgespreizt, vor und zurück schwingend, während sich die Beine hüpfend auf der Stelle bewegen, toben Karamelo Santo auf der Bühne. Und die Potsdamer machen es ihnen nach. Auch die zeitungslesende Frau hat sich unter die Menge gemischt und tanzt mit. Die Reise von Rio de la Plata-Rock über Ska, Cumbia, Tex-Mex bis zu Salsa trifft den Geschmack so sehr, dass Karamelo Santo nicht gehen dürfen, bevor sie nicht zwei Zugaben spielen. Margret Hahn
Margret Hahn
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: