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Liest auch gerne mal ein Buch. Sänger Friedrich im Nil-Klub.

© Oliver Dietrich

Kultur: Mit diskophilem Augenzwinkern Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

mit einem wunderbaren Konzert im Nil-Club

Stand:

Vielleicht liegt es daran, dass der Studentenkeller Nil-Club am Neuen Palais etwas abseits vom Schuss liegt und die Potsdamer die weite Anreise fürchten – oder denken, dass dort eh nur am berühmt-berüchtigten Donnerstag etwas stattfindet. Doch vielleicht ist es auch ein Vorteil, dass jwd eine familiärere Atmosphäre aufkommt. Andere Etablissements würden bei Konzerten wie am Dienstag, als Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen spielte, wohl aus allen Nähten platzen. Der Nil-Club war lediglich gut gefüllt, also ausreichend Platz zum Tanzen.

Aber schon die Vorband war ein ausgemachter Glücksgriff: Die interplanetarische Surf-Combo Los Apollos sorgte für so psychedelisches Meeresrauschen, dass man vor der Tür Ausschau nach einem bunten VW Bully hielt, der ein Surfbrett aufs Dach geschnallt hatte – anders konnte das Trio doch gar nicht angereist sein, so stilecht, wie die Musik war. Doch Fehlanzeige: Die Herren mit steifen Hemdkragen und Brillen sahen weniger wie Wellenreiter aus, eher wie Strandjogger. Musikalisch war das der perfekte Beach-Soundtrack: viel Hall auf der Gitarre, wabernde Bassläufe und der für Surf-Rock unverzichtbare 1-2-2-1-Schlagzeugbeat. Nun hat Surf ja immer etwas Schwelgerisch-Betörendes. Aber warum kam keiner auf die Idee, etwas Sand auszustreuen und ein paar Plastikpalmen hinzustellen? Das sollte man doch als Surf-Band standardmäßig im Gepäck haben. Aber das Strand-Feeling kam bei dieser launigen Band auch ohnehin und fast schwerelos auf.

Der Hauptact, Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, ließ zunächst ein textreiches Intro vom Band, bevor es musikalisch richtig zur Sache ging. Im schön verwaschenen Nil-Sound, dessen eigenwillige Keller-Akustik schon so mancher Band das Fürchten lehrte, gab es einfach nur großartig tanzbare deutschsprachige Musik – wobei sich in den Texten auch einfach mal über die Kategorie „Rock-Pop National“ belustigt wurde. Mit Ironie waren die Herren jedenfalls ausreichend gesegnet: Titel wie „Ich lass mich gehen in letzter Zeit“ sorgten zuverlässig dafür, dass derselbe Effekt auch beim Publikum eintrat. Wer seine Tanzschuhe vergessen hatte, konnte da schon etwas traurig in der Ecke stehen und von den anderen vergessen werden. Sänger Carsten Friedrich sang mit reduziert-simpler Stimmlage Texte, die vor Inhalt nur so strotzten – aber gleichzeitig diskophil und augenzwinkernd waren. Das war Philosophie ohne den Anspruch auf Belehrung.

Keine einfache Aufgabe, ruhig stehen zu bleiben bei so viel fluffiger Tanzbarkeit mit Disko- und Ska-Rhythmen. „Ich bin rhythmischer Legastheniker“, gestand Sänger Friedrich zwar, aber das merkte man der Band überhaupt nicht an. Der breite Orgelsound fasste einen beidhändig an den Schultern, das Saxophon setzte die nötigen Akzente, die Gitarre hielt alles zusammen und vor lauter Musik konnte man fast vergessen, dass es noch Text gab: darüber, dass jeder auf Erden wunderschön sei, oder eben auch um Fußball – wie im Song „Nimm mich mit zum Spiel“. Aber alles flockig und unbelastet: „Wir sind eigentlich sehr sensible, kulturelle Typen, die auch mal ein Buch in die Hand nehmen“, war das Statement des Sängers. Wie gut, dass dabei so etwas Tanzbares rauskommen konnte. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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