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Von Almut Andreae: Mit doppeltem Boden

Kinder-Kram im Kunst-Kontor: Sieben Künstler konterkarieren Klischees

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Welche Bilder und Visionen stellen sich ein zum Thema „Kinder-Kram & Spiel“? Eine vorweihnachtliche Ausstellung in der Galerie Kunst-Kontor macht mit sieben Künstlern die Nagelprobe. Zwischen den rund dreißig gezeigten Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen tun sich ganze Welten auf. Mit einem verklärenden Blick auf vergangene Kindheitstage haben die Beiträge der beteiligten Künstler nur am Rande etwas zu tun. Porträts aller Couleur bestimmen die Szenerie. Da sind die Bilder eines Neugeborenen von Sebastian Kommerell, plastische Porträts von Antoinette und jede Menge Puppen und Stofftiere, gemalt auf nachtdunklem Grund und mit einer malerischen Hingabe an das Detail, wie man sie eigentlich nur noch von den Alten Meistern kennt.

Die aus jeder Faser ihres Zottelpelzes Kuschelappeal verströmenden Plüschkameraden von Christoph Löffler bannen unweigerlich den Betrachterblick. Mit haarfeinem Pinsel und Engelsgeduld hat der Maler „Patrick“, „Sven“ und all die anderen Stofftiere in bis zu 15 Lasuren auf die Leinwand platziert. Mit glänzenden Knopfaugen heischen diese zum Teil quietschbunten schrägen Vögel nach Zuwendung und Aufmerksamkeit. Nach sieben Jahren intensiver Beschäftigung mit Stofftierporträts ist Christoph Löffler ganz ohne Zweifel ein Experte auf seinem Gebiet. In Anbetracht seiner maltechnischen Virtuosität wäre eine Öffnung seines thematischen Spektrums in andere Richtungen wünschenswert.

Nur auf den ersten Blick verwandt mit den Löfflerschen Stofftierkameraden erscheinen die mit ähnlicher Akribie konterfeiten Puppengesichter von Gudrun Brüne. Freilich haben diese einen ganz anderen Hintergrund. Auf dem eigenen Dachboden wiederentdeckt, hat die Malerin ihre abgelegten Käthe-Kruse-Puppen vor Jahrzehnten reanimiert, wenngleich auf eine Weise, die der Seligkeit des weit entrückten Kinderspiels ein für alle Mal eine Absage erteilt. Das Posieren der zum Teil arm- und beinlosen Geschöpfe gerät in dem Ölbild „Puppen im Sessel“ fast zur Karikatur. Stocksteif, ja im Grunde grotesk, stehen und liegen die ausrangierten Gespielinnen da in schonungslosem Rampenlicht. Auf einigen Bildern hat die heute im havelländischen Strodehne lebende Malerin und Ehefrau von Bernhard Heisig ihre Puppen oder das, was von ihnen noch übrigblieb, zu Stillleben aus Fragmenten und Masken arrangiert. Die kindliche Intimität mit den Spielgefährten ist in ihren handwerklich präzise ausgeführten Bildern gebrochen und entstellt. Die in vielen öffentlichen Sammlungen vertretene Malerin kehrt in den Puppenbildern, die seit den 80-er Jahren entstanden, ihr Innerstes nach außen. Tiefe Desillusion teilt sich hier mit und bestimmt den bleibenden Eindruck.

Kaum fröhlicher, wenn auch von reichlich Phantasie durchdrungen, gibt sich Kerstin Grimm in ihren Papierarbeiten und bronzenen Kleinskulpturen. Mit wässriger Farbe malt die Bildhauerin und Zeichnerin in ihren mehrschichtigen Collagen aus Transparentpapier. Was die Künstlerin als „Kinderspiele“ betitelt, erinnert eher an traumartige Sequenzen, die dem Unterbewusstsein entsteigen und kindliche Gestalten mit großen ernsten Gesichtern in bizarre Welten rücken. Der vordergründige Blick auf das Kind gerät hier zur seelischen Innenschau. Dort, wo in der Zeichnung „Froschfang“ dem Kind ausgetrocknete Froschkadaver an die Hand gegeben werden, balanciert Kerstin Grimm auf einem schmalen Grat zwischen künstlerischer Freiheit und nackter Realität. Auch wenn sie in ihrer Kleinskulptur durch die Verbindung von kindlichem Wesen und dämonischem Getier zwei noch so gegensätzliche Welten miteinander vereint, haftet ihren Arbeiten etwas Verstörendes an.

Ein kraftvolles Gegengewicht zur hintergründigen Vorstellungswelt Kerstin Grimms setzt der aus Bronze und Blattgold geschaffene „Wasserspringer“ Carl Constantin Webers. Der in Potsdam lebende Bildhauer ist als gelernter Ziseleur und Bronzegießer in der glücklichen Lage, seine Bronzen selbst zu gießen. Am meisten von allen genannten Künstlern, eingeschlossen Uta Zaumseil, die mit gerade mal zwei Druckgraphiken ein bisschen unterrepräsentiert ist, hat er sich etwas von der kindlichen Unbekümmertheit und der Lust am Spielerischen bewahrt. Dies zumindest bezeugen seine gerade fingergroßen, bewegten Bronzefiguren von Kindern und sein „Bugattidackel“, dessen Inneres, ausgeschlagen mit rotem Samt, zum originellen Schrein für diverse Kostbarkeiten gereicht.

bis 20.12., Di/Mi 15-19 Uhr, Do 15-22 Uhr, Sa 13-18 Uhr in der Galerie Kunst-Kontor, Bertinistraße 16 B

Almut Andreae

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