Kultur: Mit „Faust“ nach Hollywood
Filmklassiker vorgestellt: Murnaus „Faust“ im Filmmuseum / Von Guido Altendorf
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Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum gehegt und gepflegt. Das heißt, die vielfältigen Dokumente, Kostüme, Technik, Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Natürlich kommen cineastische Kostbarkeiten zur Aufführung. In unserere Serie „Filmklassiker vorgestellt“ stellen wir heute Friedrich Wilhelm Murnaus Film „ Faust – Eine deutsche Volkssage“ vor.
Der zwanzigjährige Volker Schlöndorff schreibt in seinem Tagebuch: „Am Donnerstag, den 21.Mai 1959, abends, um 22 Uhr 30 zum ersten Mal Faust gesehen. Bestechend die Eleganz der Auflösung, notierte ich altklug.“ Schlöndorff meinte Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm, den er während seiner Studienzeit in Paris gesehen hatte.
Der Regisseur, der am 31. März siebzig Jahre alt wird, setzte den Film auf die ihm vom Filmmuseum offerierte Wunschliste. Seine Notiz dokumentiert den Umweg, den viele Klassiker des deutschen Kinos über das Ausland nehmen mussten, bis sie endlich daheim gewürdigt und wieder entdeckt wurden. Es war dem französischen Regisseur Eric Rohmer vorbehalten, zuerst über die Werke Murnaus, vor allem über „Faust“ zu philosophieren, der Spanier Luciano Berriatúa rekonstruierte den Film in den neunziger Jahren. Nun steht er hierzulande wieder zur Verfügung, in neuer, alter Schönheit.
Murnaus „Faust“ war über die Jahrzehnte nicht vergessen, aber ihm haftete der Makel an, den geistigen Gehalt seiner Vorlage verfehlt zu haben. Die Frage, welche Vorlage gemeint sei, wurde gar nicht erst gestellt, sondern Goethe vorausgesetzt. Der Film aber nennt sich „Eine deutsche Volkssage“, und er hält alles, was dem Zuschauer damit versprochen ist. Hinter den Türen der Ufa-Ateliers, in einem wahrlich Faust''schen Laboratorium, entstand ein nahezu perfekter Film, ein in allen Details kontrolliertes Studioprodukt – ohne ein einziges Lux Tageslicht. Das deutsche Mittelalter, wie es der Maler Albrecht Altdorfer sah, ersteht auf der Leinwand, denn seine Gemälde inspirierten die Filmarchitekten: „Wir malten mit den Blenden im Raum, schufen Schatten an der Wand und in der Luft. – Für Murnau war es wichtiger, Schatten zu machen, als das Licht zu stellen.“ Es wird Nacht, als Mephisto seinen Mantel über der Stadt ausbreitet. Schatten sind die Vorboten der Pest. Im Zwielicht hockt Satan mit blitzenden Augen am Kreuzweg. Faust ist von Gretchens Silhouette am Fenster erregt. Sanft drückt er die Scheiben auf und bahnt sich so den Weg zu ihr. Nie ist eine Verführung zarter inszeniert worden! Es gibt keine Einstellung, keine Szene, die nicht übervoll wäre an Einfällen, an unvergesslichen Bildern.
Und, damals sensationell, die Bilder sind in schneller Bewegung. Kameramann Carl Hoffmann baute abenteuerliche Konstruktionen, um seinen Aufnahmeapparat über künstliche Landschaften und über Gesichter gleiten zu lassen. Alles, was den Film verlangsamt hätte, wurde rigoros verworfen, sogar die von Gerhart Hauptmann gedichteten Zwischentitel. Das gemessene Tempo vieler deutscher Stummfilme hatte sich als Exportproblem herausgestellt. „Faust“ hingegen ist „Action“, denn die Produktion sollte den amerikanischen Markt erobern. Doch die Bemühungen der Ufa wendeten sich gegen sie selbst.
Statt eines Welterfolges wurde der Film zum idealen Empfehlungsschreiben für Engagements in den USA: Murnau und Produzent Erich Pommer hatten bereits vor der Premiere ihre Hollywoodverträge in der Tasche, die Stars Emil Jannings und Camilla Horn folgten. Das also war des Pudels Kern! Zu sehen ist „Faust – Eine deutsche Volkssage“ (1926) am 28. März um 20 Uhr, begleitet an der Welte-Kinoorgel von Stephan von Bothmer.
Der Autor ist Filmhistoriker im Filmmuseum.
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