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Kultur: Mit Haaren zum Sieg

Der erste Potsdamer Science Slam in der Reithalle zeigte, dass Wissenschaft auch unterhalten kann

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Keine dicken Hornbrillen, keine karierten Hemden, keine weißen Kittel. Weit und breit kaum ein Hinweis darauf, dass sich auch ein paar Wissenschaftler unter das Publikum gemischt hatten. Auch als sich Bernd Walz ein wenig unsicher seinen Weg auf die Bühne bahnte, blieb die Langeweile, ausgelöst durch die zu erwartende Flut an Fremdwörtern und Fachbegriffen, aus. Kein trockener Forschungsstaub also.

Tatsächlich war der erste Potsdamer Science Slam am Donnerstag in der Reithalle unterhaltsamer als zunächst erwartet. Denn klischeehaft oder nicht, staubtrocken oder todlangweilig, von den meisten Wissenschaftlern ist selten mal ein Witz über ihre Forschungsarbeit zu erwarten. Das Prinzip dieses Wettstreits: Fünf Wissenschaftler stellen die Ergebnisse ihrer eigenen Forschung vor. Ob nun mit klassischer Powerpoint-Präsentation oder mit Ausdruckstanz – wie sie ihren Vortrag gestalten, bleibt ihnen selbst überlassen, nur witzig muss er sein. Dafür haben sie jeweils zehn Minuten Zeit.

Den Anfang machte der außer Konkurrenz startende, selbst ernannte „Silberfuchs“ der Runde, Bernd Walz, Professor am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam mit seiner tiefschürfenden Frage: „Wie kommt das Wasser in die Spucke?“ Nach seinem zehnminütigen Vortrag hatte der Zuschauer gelernt, dass Wasser immer nur bergab fließt und „die Wirklichkeit viel komplizierter ist“. Jobst Heitzig, ganz nach Panzerknacker-Art in einem schwarz-weiß gestreiften Gefängnisoutfit gekleidet, bekannte zunächst auf die Frage, wie er denn auf sein Forschungsthema gekommen sei, dass er einfach geschaut habe, was die anderen so machten und er sich dann einfach für dasselbe entschieden habe. Dem lauten Gelächter des Publikums nach zu schließen eine durchaus gängige Art im Wissenschaftsalltag. Unter dem Titel „Ausbruch aus dem Klimagefängnis“ thematisierte er die politische Dimension des Klimawandels. Kulturwissenschaftler Alexander Bernhard, der zunächst feststellen musste, dass außer ihm alle anderen Teilnehmer etwas zum Wohle der Allgemeinheit beitragen, sorgte mit seiner Forschung über Zombiefilme für viele Lacher, während Jörg Enders versuchte, „Mathematik im Alltag“ für alle verständlicher zu machen. Was ihm eindrucksvoll gelang, sodass selbst Unkundige seinen doch sehr theoretischen Ausführungen folgen konnten.

Einen besonders witzigen Auftritt lieferte Peter Westerhoff, der mit „Pimp my Implant“ die Erforschung von Schulterprothesen zum Thema machte. Dass mehr Kraft auf die Schulter wirkt, wenn ein Mensch den Arm ausgestreckt zur Seite hält, als wenn er ihn anwinkelt, ließ für ihn nur einen Schluss zu: „Trinken ist besser als Anstoßen!“ Ilka Wagner versuchte mit zahlreichen „Bäähm“- und „Schwuppdiwupp“-Ausrufen unter dem Titel „Mit Haut und Haar“, dem kahlen Bruce Willis wieder zu einer vollen Haarpracht zu verhelfen. Ihr menschlicher Bioreaktor, der bei Medikamentenversuchen Tiere ersetzen soll, stieß beim Publikum auf großen Zuspruch.

Ganz wissenschaftlich natürlich wurde dann der Sieger mittels technischer Messung des Applauses ermittelt. Das Publikum, von allen Beiträgen begeistert, kührte Ilka Wagner zu Siegerin, was vielleicht auch daran lag, dass sich im Publikum einige Leute mit etwas schütterem Haar befanden, die ihrem Vortrag mit ganz besonderem Interesse folgten.

Chantal Willers

Chantal Willers

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