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Von Peter Buske: Mit hemmungsloser Hingabe Staatsorchester zum sinfonischen Saisonstart

„Ich habe sie komponiert nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Trotz, weil man mir vorgeworfen hat, dass ich ein Wagnerianer sei und im leichten nationalen Stil nichts könne“, berichtet Bedrich Smetana über die Entstehung seiner komischen Oper „Die verkaufte Braut“. Bei ihrer Uraufführung 1866 im Prager Interimstheater wirkt Antonín Dvorák als Bratscher mit.

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„Ich habe sie komponiert nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Trotz, weil man mir vorgeworfen hat, dass ich ein Wagnerianer sei und im leichten nationalen Stil nichts könne“, berichtet Bedrich Smetana über die Entstehung seiner komischen Oper „Die verkaufte Braut“. Bei ihrer Uraufführung 1866 im Prager Interimstheater wirkt Antonín Dvorák als Bratscher mit. Auch dieser hat sich das nationale Element auf seine Musikfahne geschrieben, was wiederum für Johannes Brahms Grund genug war, den böhmischen Tonsetzer zu fördern und ihn seinem Verleger Fritz Simrock in Berlin zu empfehlen.

Mehrfache Verzahnungen also, die das Programm des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt bestimmen, mit denen die Musiker unter Leitung von Howard Griffiths am Sonnabend den Saisonauftakt der Sinfoniekonzerte im Nikolaisaal bestritten: spritzig und lebensfroh. Wie die Ouvertüre zur „Verkauften Braut“, einem Hohelied auf böhmisches Volkstreiben. Da wispert es in den Geigen, denen die Celli rabiat antworten.

Doch wo sind die Kontrabässe platziert? Diesmal an der Podiumsrückwand, gereiht wie auf einer Perlenschnur. Neben ihnen, rechts außen, stehen die Pauken. Was zur erfreulichen Folge hat, das sich das Klangbild auffallend hell, aufgelichtet, ausgewogen und präsenter vorzeigt. Herrlich leicht und spielerisch, gepaart mit einer so noch nie gehörten Detailgenauigkeit, gehen die Musiker zu Werke. Lyrisches und Zärtliches hat Stil und dynamische Raffinesse.

Ganz von böhmischer Atmosphäre erfüllt und von slawischem Erbe durchglüht ist auch Dvoráks Violinkonzert a-Moll op.54, dessen unverwechselbares nationale Gepräge sich in seinen Gestaltungsformen an der Wiener Klassik orientierte. Kraftvoll und klangherb stürzen sich die Frankfurter Musiker in den Anfang, wobei sie des Hauptthemas ersten Teil fast unwirsch spielen, die Lyrik des zweiten dagegen voller Zärtlichkeit sich aussingen lassen.

Eine spannende Entwicklung bahnt sich da an, in die von Anfang an die 25-jährige, in Alma-Ata geborene Solistin Alena Bajewa einbezogen ist. Gemeinsam pflegt man eine leidenschaftliche Direktheit, die abrupt von einer Gemütslage in die andere zu wechseln versteht. Auf ihrer Stradivari geht sie sowohl straff und energisch als auch schwelgerisch und süß singend zur Sache. Kontrolliert ist ihr Spiel, dennoch verliert sie sich hemmungslos ans Werk. Ausdruck geht ihr über alles, worin sie sich mit Griffiths und dessen Musikern einig ist. So gewinnt sich das Musizieren nahezu rhapsodische Eindringlichkeit. In makelloser Intonation singt sie das Adagio sehr innig, aber nicht zerfließend aus. Tänzerisch beschwingt, gelöst und elegant erklingt das finale Allegro giocoso. Schade, dass die Bläser viel zu laut gegenüber den zarten Tönen der Geigerin sind. Wohl nicht nur deswegen mag sie sich trotz anhaltendem Beifall zu keiner Zugabe entschließen.

Leidenschaften lodern auch in der 3. Sinfonie F-Dur op. 90 von Brahms, deren heroisches Hauptthema einem Berchtesgadener Jodler nachempfunden ist. Nun, gejodelt wird im Nikolaisaal weniger, dafür mit anhaltend langem Atem konfliktbetont musiziert. Größtenteils leider in ohrenstrapaziöser Lautstärke, wobei viel Wert auf orchestralen Glanz gelegt ist. Lieblich ertönt das Andante, kammermusikalisch dezent der dritte Satz, kraftvoll drängend, aber ruhig ausklingend das Finale. Schade, dass nicht nur beim Brahms die Einsätze zu den Satzschlüssen nicht auf den Punkt genau kommen. Dennoch: Jubel aus dem vollbesetzten Auditorium.

Peter Buske

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