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Kultur: Mit herrlichen Hörnern

Sumeras und Schumann im Nikolaisaal

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Obwohl Lepo Sumera zu den bedeutendsten baltischen Komponisten der jüngsten Zeit gehört, ist er hierzulande kaum bekannt. Umso erfreulicher, dass die Brandenburger Symphoniker unter der Leitung von Michael Helmrath Sumeras „Musica tenera“ aufgeführt haben. Es ist eine tiefernste Komposition, in der bedrohlich dunkle und grelle, polyrhythmisch verzahnte Klangwände gegen verhalten singende Einzelstimmen aufstehen und untergehen. Darin bloße Landschaftsmalerei zu sehen, wie Moderator Clemens Goldberg beim Sonntagsnachmittagskonzert im Nikolaisaal vorschlug, greift wohl etwas zu kurz. Vielmehr scheint Sumera, eine Schlüsselfigur in der sogenannten Singenden Revolution und zugleich erster Kulturminister von Estland, in diesem Stück aus dem Jahr 1992 durchaus politische Erfahrungen verarbeitet zu haben. Ob jedoch das im Konzert folgende Werk – Robert Schumanns Konzertstück für vier Hörner – politische Bezüge enthält, sei zumindest dahingestellt.

Den entscheidenden Ausschlag bei dieser nur selten zu hörenden Komposition gab der Reiz, einmal „etwas ganz Curioses“ (Schumann) zu machen, das es vorher noch nie gegeben hat. Mit dem Ensemble German Hornsound waren die richtigen Musiker zur Stelle, um die horrend hohen Herausforderungen an Technik und Virtuosität anzunehmen.

Der erste Hornist Maciej Baranowski und seine Mitstreiter Sebastian Schorr, Stephan Schottstädt und Timo Steininger beherrschen ihre Ventilhörner aus dem Eff-Eff, sodass kein Horn-Kiekser ihr klangvolles, ausgeglichenes Zusammenspiel stört. Auch in der Sinfonia concertante für vier Hörner und Orchester von Trygve Madsen erweisen sich die Brandenburger Symphoniker als einfühlsame Begleiter der beschaulich dräuenden, fröhlich jauchzenden Hörner. Tryve Madsens dreisätzige Sinfonia ist ein schwungvoller, schmissiger und bisweilen arg schmalziger Potpourri à la Hollywood inklusive Pferdegalopp und Wild-West-Pseudo-Romantik.

Die eigentliche, die echte Romantik als Inbegriff der Sehnsucht nach einer umfassenden Poetisierung der Welt durch die Kunst findet in der Musik von Robert Schumann ihr Abbild, wenn nicht die Essenz davon. Dass die vierte Sinfonie d-Moll eigentlich die zweite ist und in Schumanns glücklichem Sinfoniejahr 1841 entstand, merkt man allen vier Sätzen an. Nie hat Schumann sich so weit von der klassischen Form entfernt und ein dermaßen gelöstes Orchesterwerk geschaffen. Der auswendig dirigierende Michael Helmrath inspiriert die Musiker zu musikantischer Spielfreude auf Höchstniveau. In der Romanze singt die Troubadour-Oboe ihr melancholisches Lied aus alten Zeiten, während die erste Violine die Kunst der unendlichen Melodie zelebriert und das Cello wundersam seelentief leuchtet. Der im Kontrast zu seiner Kunst so unsanft aus dem Amt verabschiedete Generalmusikdirektor Michael Helmrath wird vermisst werden. Großer Applaus im Nikolaisaal für eine rundum erbauliche Konzert-Soiree. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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