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Kultur: Mit Hintersinn

Harry Mohr zeigt Bilder bei „Labandig“

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Die erst kürzlich eröffnete Kneipe „Labendig“ am Holländischen Viertel ist mit einem braunorange marmorierten Farbton bemalt. Darüber hängen zurzeit die Arbeiten von Harry Mohr und verwandeln die Gaststätte in einen flimmernden Salon. Seine Kunst ist alles andere als figürlich, Farbflächen kommunizieren miteinander, Punkte und Linien mustern die Fläche und alle Elemente in ihren klaren, meist hellen Farben. Alles ist irgendwie miteinander verbunden, ineinander verschlungen, miteinander im selbstvergessenen Gespräch. Viele seiner Werke scheinen mikroskopisch in die kleinsten Einheiten des Lebens, die Zelle, vorzudringen, durch die fröhliche Kolorierung aber erhält das vom Biologieunterricht bekannte grüngelbtrübe Gewusel eine überraschend neue Klarheit.

Harry Mohr lebt seit Anfang der 80er Jahre in Potsdam. Der Autodidakt knüpft an die Tradition der spanischen Moderne an, die wie Joan Miró in klaren Farben umgrenzte Farbflächen miteinander kommunizieren lassen, so dass sich der Betrachter alleine die Geschichte dazu ausdenken muss. Die verweigerte Erzählung ist Programm, und die durch die Farbigkeit und ihre Form, die keine Förmlichkeit ist, im Betrachter entstehende Emotion entsteht ein unmittelbarer, prä-rationaler, intuitiver Kontakt zu den Gemälden. Seine Bilder und Skulpturen, von denen eine von der Decke baumelt und „Flugauto der Lebendigkeit“ heißt, erzielen eine heitere Leichtigkeit und Gelassenheit, die durch die überbordend poetischen Titel noch einen Zusatzeffekt erhalten. Ein rundes großes Bild, in dem nierenförmige, halbmondartige, lippenähnliche Gebilde durch die sie zusammensetzenden Punkte und Striche humorvoll selig in ihrem Punktefluidum schwimmen, nennt Mohr „Gefangen in der Illusion der unerfüllten Erwartungen“. Das gibt natürlich zu denken, und auch die Serie „Wege zur Glückseligkeit“ hält die Balance zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit. „Hoppla, das Lebendige gibt es noch“, betitelt der Autor der gelborangeroten Beweglichkeit ein Bild, und auf ein anderes, dessen Farben an die Tutus junger Balletttänzerinnen erinnern, schreibt er „Die süße Träumerin auf Wolke 7“. Bei Mohr muss man bei aller vordergründigen Ernsthaftigkeit und scheinbaren Naivität immer auf einen scherzhaft sich selbst und andere nicht ganz so ernst nehmenden Hintersinn gefasst sein. Lore Bardens

Lore Bardens

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