Kultur: Mit Leiche von Stuttgart bis nach Sofia Sibylle Lewitscharoff

Es ist ein seltsames Gespann, das sich da auf den Weg nach Bulgarien gemacht hat. Elf schwarze Limousinen, die zusammen wie eine Staatseskorte wirken, bringen einen Verstorbenen zu seiner letzten Ruhestätte: Auf einen Friedhof in Sofia. In einem der schwarzen Autos sitzen zwei Schwestern auf der Rückbank, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Die eine schandmäulig und kampflustig, die andere zurückhaltend und höflich. Bei der Leiche, die dort so staatstragend von Stuttgart-Degerloch nach Sofia unterwegs ist, handelt es sich um ihren Vater, besser gesagt, um die exhumierten Überreste. Denn schon vor Jahren ist dieser Mann, mit einem Strick um den Hals, freiwillig aus dem Leben geschieden. Insgesamt sind in diesem Konvoi die Überreste von 18 Exilbulgaren auf ihrem Weg zurück in die Heimat. Die jüngere der beiden Schwestern, die mit dem losen Mundwerk, nutzt die Reise für eine Abrechnung mit ihrem Vater, der Familie und alles, auf das sich zu schimpfen lohnt.

Die in Berlin lebende Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff erzählt in ihrem Roman „Apostoloff“, für den sie in diesem Frühjahr mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet wurde, die Geschichte dieser Reise. Am kommenden Dienstag, 3. November, liest sie im „Literarischen Salon“ aus „Apostoloff“. Dieser Abend mit Sibylle Lewitscharoff ist der Abschluss dieser von „primaDonna“ und dem Autonomen Frauenzentrum Potsdam organisierten Lese- und Gesprächsreihe. Wer das Abgründige schätzt, dem wird mit dieser Lesung ein erzählerischer und sprachlicher Genuss, den in dieser schwarzen Komödie tobt der Furor, wird gezetert, geschimpft und gehasst, dass es nur so eine Freude ist. D.B.

Sibylle Lewitscharoff liest am Dienstag, 3. November, um 19 Uhr auf dem Theaterschiff aus „Apostoloff“. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 3,50 Euro