Von Philipp Kühl: Mit Lippen swingen und Zungen grooven
Die Stouxingers a capella in der Neuendorfer Kirche
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Eigentlich sind die Stouxingers ja immer mit Mikrophonen bewaffnet. Als A capella-Gruppe sind Mikrophone nun wahrlich überlebenswichtig. Doch für das Potsdamer Jazzfestival machen sie eine Ausnahme.
Bei glasklarer Raumakustik in der alten Neuendorfer Kirche in Babelsberg brauchen sie weder Technik noch einen Schutzwall an Mikrophonständern. Alles wird ganz intim an diesem Abend. Fünf charmante Herren in Abendgarderobe und eine freche, blonde Dame versetzen das Publikum mit ihren A capella- Kreationen aus Jazz, Soul und Pop in wahres Staunen. Können Lippen swingen? Können Zungen grooven? Kann man rhythmisch atmen? Ja, man kann. Die Stouxingers beweisen es und erfinden sich bei jedem Ton neu.
Zusammen weben sie einen virtuosen Klangteppich für ihre Kompositionen und immer wieder tritt einer aus dieser Ebene hervor, um eine mitreißende Vocalpassage oder ein imaginäres Trompetensolo anzustimmen. Ständig wechseln sie ihre Positionen, kokettieren miteinander oder tanzen aufreizend nach dem Motto: Das Auge hört mit!
Schon nach den ersten drei Songs herrscht ausgelassene Stimmung im Gotteshaus. Unter dem Sternenhimmel der Kirche nicken die ersten Köpfe. Mit Michael Eimann haben die Stouxingers außerdem einen brillanten „Kanzelprediger“ in ihren Reihen, der zwischen den Songs mit seinen locker-witzigen Moderationen das Eis bricht. Doch es wäre falsch, nur einen aus dieser Formation herauszuheben. Das gesamte Ensemble funktioniert großartig und bald fressen ihnen die Zuschauer aus den Händen.
Seinen Höhepunkt erreicht das Stimmenspektakel, als Eimann in seiner Rolle als Sprachrohr der Stouxingers verkündet: „Die Menschen, die in ein A capellaKonzert gehen, wollen unbedingt selber singen!“ Schon wird der Saal stimmlich in Männer und Frauen geteilt und die Probe kann beginnen. Dazu muss noch schnell die eigens entworfene Sprache der Stouxingers erlernt werden: „Süldedadam“ soll die interessierte Frage der Frauenfraktion lauten, was soviel bedeutet wie „Was macht ihr denn hier?“. Die Männer antworten mit: „Bedudeldadap“ (Keine Ahnung).
Das ist urkomisch, denn der Kontrast zwischen den hellwachen Stimmen der fragenden Frauen und der tiefen, etwas lustlosen Antwort der Männer bedient herrliche Klischees zur Geschlechterbeziehung. Jede Frau, die ihren Mann seit Jahren erfolglos zu einem Tanzkurs überreden möchte, weiß, wovon hier die Rede ist. Schließlich intonieren die Stouxingers den dazugehörigen Song zur menschlichen Entstehungsgeschichte und auf Fingerzeig singt der ganze Saal die geprobten Passagen. Am Ende des Konzertes bebt die Empore vor Begeisterung. Fürstlicher Applaus für ein besonderes A capella-Erlebnis.
Philipp Kühl
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