Kultur: Mit Lust
Cellostar Jan Vogler und die Kammerakademie
Stand:
Ein zartes, ätherisches Streichergespinst, gewoben von Mitgliedern der Kammerakademie Potsdam, legt sich gleichsam wie ein Seidenkokon über die Zuhörer im Nikolaisaal. Was sich wie eine Melange aus Wagnerscher „Parsifal“-Vergeistigung und Mascagnis Intermezzo sinfonico aus „Cavalleria rusticana“ anhört, bildet die Bausteine des 2. Cellokonzerts des armenischen Komponisten Tigran Mansurian (geb. 1939). Im dritten Satz ist es Strawinskys „Le sacre“-Motorik, die das Geschehen bestimmt. Gleichsam als Mörtel dienen ihm dabei typische armenische Melodiemodelle, die seinem Konzert trotz allem eine atmosphärische Dichte verleihen. Aus dieser Klanghülle bricht alsbald eine Kantilene des Soloinstruments hervor, die von Jan Vogler auf seinem leuchtkräftigen Montagnana-Instrument „Ex Hekking“ von 1721 ausdrucksstark gestrichen wird.
Zunehmend entwickelt sich ein dunkles Farbenspiel, einer Elegie nicht unähnlich. Unwirsch sorgen Dissonanzen für Trübungen, führen zu einem klangspröden Monolog des Solisten. Zwischen den glutvollen Ecksätzen ist ein beweglicher, „Mobile, quasi parlando“ genannter Satz eingefügt, ganz von der Attitüde der Lockerheit und Leichtigkeit erfüllt. Das an Emotionen überreiche Stück bietet dem Solisten, wahrlich ein „Star international“, der in der gleichnamigen Nikolaisaal-Reihe vortrefflich präsentiert ist, alle Möglichkeiten, mit Gefühlsreichtum, staunenswerter Intensität und Musikalität zu begeistern. Die sparsame, taktschlägerische, auf präzises Zusammenspiel bedachte Zeichengebung von Chefdirigent Antonello Manacorda sorgt mit dafür, dass sich das Cellokonzert mehr als nur
Den gemäßigten Neutönereien folgt mit Peter Tschaikowskys Variationen über ein Rokoko-Thema A-Dur für Violoncello und Orchester op. 33 das durch und durch romantische Pendant. Ein Lehrstück für Fingerfertigkeit, Bogenführungsvarianten und Ausdrucksintensität, kurzum: ein Standardwerk und Prüfstein für jeden Solisten von Rang. Wird Jan Vogler Vergleichen zu Vorbildern wie Pablo Casals oder Mstislaw Rostropowitsch standhalten und mit eigener Deutung bestehen können?
Auffallend sein nunmehr heller, entschlackter Ton, der keinerlei kuschligen Seelensaitenbibber aufkommen lässt, sondern stattdessen das liebliche Rokokothema fast nüchtern, gleichsam rhetorisch neutral vorstellt. Vorzüglich seine Lagenwechsel, sein analytischer Scharfblick, sein spieltechnisches Raffinement. Seine sicht- und hörbare Freude an der Virtuosität überträgt sich sowohl auf Musiker als auch das Publikum. Das feiert ihn anhaltend und entlässt ihn nicht ohne Zugaben: zunächst das G-Dur Prelude aus der 1. Suite für Cello solo von Johann Sebastian Bach, dann die C-Dur-Sarabande aus dessen 3. Suite. Hier ist er ganz bei sich: intellektuell wie klangsinnlich aufs Höchste gefordert.
Zum Abschluss gibt’s Beethovens 2. Sinfonie D-Dur op. 36, wobei sich ein sehr direkter und präziser Mischklang ergibt, da Pauken und Kontrabässe ihre angestammten Plätze getauscht haben. Straffes, kurz angebundenes, auf Präzision bedachtes und detailfanatisches Musizieren abseits ausgetretener Pfade ist angesagt. Die Leidenschaften sind auf geradezu sportive Weise aufgeheizt und ausgereizt. Manacorda liebt die dynamischen Kontraste, den Griff zum kurzen Zügel, um Ross und Reiter, lies: Werk und Musiker die Sporen zu geben. Kaum im Ziel, brandet großer Jubel auf. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: