zum Hauptinhalt

Kultur: Mit Pauken – ohne Trompeten

Das Brandenburgische Landesjugendsinfonieorchester begeisterte in der Friedenskirche

Stand:

Während auf dem weihnachtlichen Luisenplatz „Marmor, Stein und Eisen“ eher als die Liebe brachen und man danach „Mr. Snowman“ so herzensfroh besang, lud die Friedenskirche am Sonntagnachmittag zum traditionellen Adventskonzert mit dem Brandenburgische Landesjugendsinfonieorchester. Sofort wurde der Unterschied zum Marktgeklingel klar: Zwar nicht geistlich, dafür aber geistvoll und in seiner Darbietung geradezu erlesen, darf man von einem künstlerischen Gesamterlebnis über fast einhundert Minuten sprechen.

Mit „Earl of Oxford“s March“ von William Byrd zum Auftakt war das Blechbläserensemble dieses durch Landesförderung wohlbehüteten Klangkörpers im Stil der Renaissance vertreten, ein belebendes Medley bekannter Weihnachtsweisen hatte das Orchestermitglied Marian Lux arrangiert, der bekannte Percussionist Hermann Naehring reiste „mit Pauken ohne Trompeten“ zu einem Extra-Part heran, eine CD-reife Aufführung der „Scheherezade“ in großer Orchesterbesetzung entfaltete schließlich die ganze Fülle künstlerischen Musizierens. Wirklich beeindruckend, was Leo Siberski bei den jungen Leuten an Maß und Spielfreude freisetzen konnte.

Albrecht Thiemann begrüßte als Chef des Fördervereins auch den „großen Vorsitzenden“ Matthias Platzeck, welchem er bei einer Aufführung des „Weihnachtsoratoriums“ in spe den Part „Großer Herr und starker König“ antrug. Aber dafür wird dem Multifunktionär wohl keine Zeit bleiben.

In medias res: Zusammen mit einer Mini-Besetzung des Orchesters und der Sopranistin Gottlobe Gebauer als Gast präsentierte Hermann Naehring selbstkomponierte oder arrangierte „Weihnachtsmusik“, einen klangfrohen „Introitus“, Volkslieder aus Schweden und Frankreich, deren warmer Vokalton allerdings nicht bis nach hinten durchdrang. Sanfter Wohlklang durch behutsam geschlagene Töne an Glockenspiel und Marimbaphon, sehr hübsch. Dann folgten „Trois Mouvements“ aus der Feder von Jehan Alain, einem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schaffenden Franzosen. Robert Buchwald (Flöte) und Maria Jürgensen (Orgel) interpretierten den von Marie-Claire Alain modern arrangierten Dreiteiler im lebhaften Wechseldialog. Auf einer fast schlichten Tonfolge beruhend, bezieht er seine Wirkungen in sequentierter Struktur aus Synkopen und überraschendem Wechsel emotionaler Tönungen, welche oft aus dem dialektischen Gegenüber gezogen sind.

Höhepunkt war die „Scheherezade“ von Rimski-Korsakow: Leo Siberski hatte sich zwar entschlossen, den zweiten Satz aus akustischen Gründen auszulassen, doch der etwas größere Rest war famos: Geist der literarischen Vorlage, der Komposition, des heutigen Zugriffs! Ein wunderbar gefügtes und mit Seele verwaltetes Opus, manchmal ein wenig lautmalerisch, dafür klarstens strukturiert, von einer wundervollen Solo-Violine (Daniela Gubatz) behutsam geführt, klagend, vibrierend, insistierend – die um ihr Leben besorgte Prinzessin eben. Gewaltige Schönheit – schöne Gewalt, dabei leicht wie eine persische Feder.

Mit der eher fröhlichen „Symphonie Christmas“ für großes Orchester, Pauken, Trompeten und viel Percussion, einem von Marian Lux neu arrangierten Verbund aus fünf bekannten Weihnachtsliedern, klang das durch maßvolle Dämpfung beseelte Konzert dann aus. Langer Beifall, stehende Ovation. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })