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Kultur: Mit Pferdebändiger und flammendem Herz

Neue Hörführung durch das historische Potsdam lenkt den Blick auf Details

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Wer sich als Neu-Potsdamer in der Stadt anmeldet, bekommt zur Begrüßung eine Tasche mit allerlei Prospekten, Kulturprogrammen, Stadtplan, Adresslisten und Behördeninformationen. Eine schöne Geste. Sinnvoll wäre es, fände sich darin auch eine Stadtführung, mit der sich Ankömmlinge nicht nur räumlich, sondern auch kunst- und bauhistorisch auf dem noch unbekannten Terrain orientieren könnten. Eine Empfehlung hierfür ist der neue Audioguide aus dem Potsdamer Zenitar Verlag, eine detailreiche Hörführung durch die historische Innenstadt vom Alten Markt zum Brandenburger Tor. Gleich zu Beginn weist der von Marita Müller verfasste Text auf die stetig steigende Einwohnerzahl hin: Von gerade mal 1500 Bürgern Anfang des 18. Jahrhunderts bis zur modernen Wissenschaftsstadt, die inzwischen auf 150 000 Einwohner angewachsen ist. So weiß sich der Neubürger im Trend und kann sich interessiert auf die geschichtlichen Pfade begeben.

Akustische Begleiter sind neben der Musik Bachs die beiden Rundfunk-Sprecher Anke Arndt und Detlef Bruns, die zunächst einen Exkurs zu den Anfängen der Stadt unternehmen, zur slawischen Burg am Havelufer und zur deutschen Festungsburg mit Siedlung, die sich dort befand, wo die Tour ihren Anfang nimmt, am wieder aufgebauten Fortunaportal. Von dort geht es zur Langen Brücke mit Blick über die Freundschaftsinsel und zum Brauhausberg, auf dem einst Weinreben wuchsen. Dann führt der Weg zum Marstall, vorbei am Kabinetthaus und der Waage auf dem Neuen Markt über den Kanal, der einmal die Stadt begrenzte. Was danach folgt, lernt der Fremde als barocke Stadterweiterungen kennen: aufwändige Palaisbauten und einfache, von Handwerkern und Soldaten bewohnte Typenhäuser, das Holländerviertel, die Kirche St. Peter und Paul und schließlich die Stadttore, über deren Mauern Potsdam längst hinausgewachsen ist.

Eine Stadtführung wie diese richtet sich natürlich in erster Linie an Touristen, an Gäste, die in kürzester Zeit möglichst viel sehen und erfahren möchten. Diesem Bedürfnis entspricht der Audioguide auch in jeder Beziehung. Er ist klar gegliedert, nicht zu lang und er gestattet Pausen, in denen man vorbeigerauschte Informationen im Begleitheft nachlesen oder den betreffenden Abschnitt auf der CD einfach noch einmal anhören kann. Wesentlicher aber ist die mit Bedacht getroffene Auswahl von markanten Gebäuden, bei denen die Sprecher dazu einladen, etwas genauer hinzusehen und kleinste Details wahrzunehmen. Daher ist diese Hörführung auch für Potsdamer geeignet, die sich tagtäglich durch die ihnen scheinbar vertrauten Straßen bewegen, sich aber niemals die Zeit genommen haben, das Besondere im Normalen zu erkennen. Wer hat schon im rasenden Verkehr auf der Breiten Straße einen Blick für den Pferdebändiger auf dem Marstall, die so lebendig wirkende Reiterskulptur, die Friedrich Christian Glume um 1746 schuf und die an die frühere Nutzung des heutigen Filmmuseums als königlichen Pferdestall erinnert? Und wer kann auf dem Weg zum Amtsgericht in der Hegelallee mit Muße die reiche Fassadengestaltung, die Büsten der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige betrachten? Der Monopteros mit der goldglänzenden Caritas, dem Sinnbild der Barmherzigkeit, auf dem Militär-Waisenhaus ist dagegen nicht zu übersehen. Wer aber nicht weiß, was Caritas in ihren Händen trägt, wird das flammende Herz und den Ölzweig kaum erkennen.

Die schlichten, auf wesentliche Striche und Konturen reduzierten Illustrationen von Dana Kixmüller im Begleitheft helfen, den Blick für solche Details zu schärfen. Die mit klaren Linien gezeichneten Fassaden markieren zudem die typischen Stilelemente verschiedener Gebäude, des Fachwerkhauses „Im güldenen Arm“, des neogotischen Nauener Tores oder der reich verzierten barocken Palaisbauten in der Wilhelm-Staab-Straße. Auch die Fotografien von Regine Reiche lenken die Aufmerksamkeit auf Fassadenschmuck, Putten, Girlanden und Wappen, ohne dabei die architektonischen Ensembles aus dem Blick zu verlieren.

So bietet diese Hörführung nicht nur akustisch, sondern auch visuell Orientierung und vermittelt darüber hinaus architektonisches Fachwissen. In einem Glossar am Ende des Begleitheftes lässt sich nachlesen, was sich hinter Begriffen wie Feston, Rocaille und Tropaia verbirgt. Insofern ist der neue Audioguide auch für Potsdamer Schüler interessant, wollen sie die Baugeschichte ihrer Stadt erkunden. Denn viel leichter lässt sich merken, was ein Architrav ist, wenn man ihn mit den Hunden in Verbindung bringen kann, die auf dem Jägertor einen Hirsch stellen.

Potsdam - Die Stadtführung, CD, Zenitar Verlag, ISBN 978-3-938567-13-5, 19.80 Euro. MP3-Version unter www.zenitar.de

Antje Horn-Conrad

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