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Kultur: Mit Sensibilität

Das Projekt „Terra Transodera“ vorgestellt

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Waren sie schon einmal in Klein Posemuckel? Dass diese Frage durchaus ernsthaft gemeint sein kann und es diesen Ort tatsächlich gibt, konnte man in der Landeszentrale für politische Bildung erfahren, in der das studentische Projekt „Terra Transodera“ der Frankfurter Viadrina vorgestellt wurde. 27 Studenten gingen in der östlichen Oderregion unter unterschiedlichen Aspekten auf Themen- und Spurensuche. Der Name „Terra Transodera“ bezeichnet das Land der Woiwodschaft Lebuser Land, ein Jahrzehnte „ideologisch vermintes Gelände“. So war bei den Unternehmungen der polnischen und deutschen Studenten Sensibilität vonnöten. Dank zahlreicher Stiftungen konnten die Forschungsergebnisse in einem Buch vorgelegt werden. Vier Teilnehmer stellten ihre Beiträge in Potsdam vor.

Felix Ackermann berichtete, dass es den spektakulären Ortsnamen Klein Posemuckel (Podmokle Male) tatsächlich gäbe und er für die erste Einladung zu einer Exkursion in die Woiwodschaft Lebuser Land äußerst werbeträchtig war. Inzwischen gäbe es viele Begegnungen zwischen ehemaligen und heutigen Bewohnern dieser Region - ein vorsichtiger Heimattourismus unter neuem Vorzeichen. Magda Abraham-Diefenbach widmete sich dem Kapitel Flucht, Vertreibung und Aussiedlung. 1944/1945 wäre die Region zunächst ein Durchgangsland für die zahlreichen Flüchtlingsströme des Ostens gewesen. Erst als die Rote Armee im Januar 1945 an die Oder gelangte, begannen Flucht und Vertreibung auch für die Bevölkerung des Lebuser Landes. Bald darauf kamen die Neusiedler aus Ostpolen. Noch immer haftet diesem Land ein Nichtangekommensein an. Erst langsam, häufig durch private und wissenschaftliche Initiativen, beginnt eine Aufarbeitung der polnischen und deutschen Geschichte, die für die junge Generation dieser Region Identität stiftend werden könnte.

Tadzio Schilling untersuchte die Ikonografie der sowjetischen Kriegsdenkmäler auf den Soldatenfriedhöfen und entzifferte ihre Inschriften. Er beschrieb, dass diese Art der Erinnerungskultur aus der unmittelbaren Nachkriegszeit die Merkmale einer Derealisierung und Mythologisierung des Großen Vaterländischen Krieges trüge und den jeweiligen politischen Zielsetzungen und lokalen Gegebenheiten unterworfen wäre. Erst seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätte in Osteuropa, wie auch in der Oderregion, ein Prozess der Umdeutung und der Reaktualisierung der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg begonnen. Er wäre aber nicht von offizieller Seite gesteuert, sondern ein „Prozess von unten“, der unter dem Vorzeichen der Abrechnung mit dem Stalinismus und der sowjetischen Herrschaft stünde. In Crossen an der Oder, dem heutigen Krosno Odrzanskie, wurde 1890 der expressionistische Dichter Klabund (Alfred Henschke) geboren. Juliane Strauss suchte die Spuren in seiner Heimatstadt. Erst seit 1989 hätten in Krosno durch private Initiativen deutscher und polnischer Wissenschaftler und Literaturkenner Forschungen vor Ort begonnen. 2003 widmete die Stadt dem Dichter eine Ausstellung. Nur eine kleine Auswahl des Projektes und der Publikumsfragen konnten am Abend bedacht werden. Erkennbar wurde die Schwierigkeit des Dialogs, der seine neuen ideologiefreien Sprachregelungen erst finden muss. Barbara Wiesener

Barbara Wiesener

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