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Nachdenklich. Der lockige Popsänger Tim Bendzko.

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Kultur: Mit tiefer Stirnfalte

Tim Bendzko und das Filmorchester Babelsberg

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Frauenarme heben und senken sich in den roten Lichtkegeln der Bühnenbeleuchtung. Das Lied, das mit einem sinnlichen Pianosolo begann, steigert sich mit jedem Takt um mindestens einen Streicher oder Bläser. Mit ihnen wird die im Raum schwebende Melancholie immer intensiver. Im Refrain ist dann der Höhepunkt des musikalischen Arrangements erreicht: „Und ich laufe. Ich laufe. Davon. Ich laufe. So schnell und so weit ich kann.“ Tim Bendzko hat sich einen Wunsch erfüllt. Er wollte einmal mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg auf der Bühne stehen. Das Orchester komplettierte am vergangenen Freitagabend im Nikolaisaal die musikalische Gefühlswelt des Popsängers Tim Bendzko und seiner Band.

Seine Textzeilen fließen durch den Saal. In einem Anzug und mit Hornbrille steht er auf der Bühne, hinter ihm das imposante Orchester. Der lässige Schmusesänger, den man sonst vor allem mit Jeanshemd oder ausgewaschenem T-Shirt kennt, mal ganz anders. Es ist ein besonderer Abend für den Künstler, das zeigt nicht nur sein elegantes Auftreten, sondern er betont es auch immer wieder. Die tiefe Stirnfalte, die von Weltuntergang, Trennung und grenzenloser Melancholie erzählt, hat er sich auch bei diesem außergewöhnlichen Konzertabend beibehalten. Man kann nur hoffen, dass sie reversibel ist und er nicht immer so durchs Leben gehen muss.

„Das nächste Lied, ähm, das kennt ihr“, kündigt Bendzko seine dreifach mit Gold prämierte Single „Nur noch kurz die Welt retten“ an. Das sehr gemischte Publikum applaudiert vorfreudig. Es ist eines der insgesamt acht orchestral begleiteten Lieder des Programms. Eine kurzhaarige Frau muss etwas loswerden, was ihr schon mindestens seit fünf Liedern auf den Hüften brennt. Ruckartig steht sie auf und schwingt den ganzen Körper, um sich dann amüsiert wieder auf ihren Sessel gleiten zu lassen. Gefühlsausbrüche dieser Art bleiben beim männlichen Geschlecht an diesem Abend aus. Sie schweigen und genießen?! Auch wenn der 27-jährige „Weltretter“ das Publikum zum Mitsingen animiert, ertönt nur ein mehrstimmiger Frauenchor.

Neben Songs seines Debütalbums kommt das Publikum auch in den Genuss einiger Weltpremieren, wie Tim Bendzko sie ankündigt. Insgesamt vier unveröffentlichte Singles stellt er vor, die jedoch gar nicht so neu und unverwechselbar klingen, wie man meinen könnte. Wieder setzt der Singer-Songwriter auf eingängige, sanfte Melodien, viel Bendzko-Soul und natürlich die tiefste Stirnfalte Deutschlands.

Als der lockige Popsänger 2007 selbst aus dem Parkett des Nikolaisaals den „Söhnen Mannheims“ in Begleitung des Babelsberger Filmorchesters lauschen durfte, war er bereits begeistert gewesen, erinnert sich der selbstbewusste Tim Bendzko heute. Damals wusste er noch nicht, dass er fünf Jahre später mit Echo und Bambi ausgezeichnet werden sollte. Seit diesem Abend war es sein Wunsch gewesen, einmal selbst mit dem Babelsberger Orchester auf dieser Bühne zu stehen. Was am vergangenen Wochenende nun in Erfüllung ging. Am Ende war es musikalisch ein ernsthafter und professioneller Auftritt, der jedoch nur wenig stilistische Abwechslung bot. Friederike Haiser

Friederike Haiser

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