Kultur: Mit Turbo
Organist Rainer Oster in der Erlöserkirche
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Einmal Barock und zurück: dies ist die Reiseroute des Saarbrücker Organisten Rainer Oster mit Zwischenhalten an deutschen Romantikstätten. Der Reisende in Diensten der „Königin der Instrumente“ hatte sich am Mittwoch die barockdisponierte Schuke-Orgel der Erlöserkirche auserkoren. Die Reise, ohne jeglichen sakralen Ernst, beginnt in Paris. Mit dabei Louis-Nicolas Clérambault (1676-1749), Tastateur an der Kirche St.-Sulpice und am königlichen Hofe. Seine siebensätzige „Suite du deuxième ton“ zeigt sich als eine reizvolle Sammlung einzelner Stücke, die nicht – wie im deutschen Barock gang und gäbe – von tänzerischen Rhythmen geprägt sind. Ihr vielgliedriges Entree nennt sich schlicht „Plein jeu“, was „volles Spiel“ bedeutet. Es wechselt in rascher Folge zwischen langsam und lustig, wird von Oster hell getönt und scharf klingend vorgetragen. Auch in den nachfolgenden Stücken zieht er fürs Filigrane reizvolle Soloregister: nasale und schnarrende für das „Duo“, Trompeten für das „Trio“, während beim „Basse de cromor-ne“ der Zungenklang des Krummhorns auf den Bass beschränkt bleibt. In den „Flûtes“ können die Flötenregister der Schuke-Orgel bei durchsichtigem und verspieltem Tastatieren in unterschiedlichsten Klangfarben glänzen. Zahlreiche Triller sollten das Schwirren eines Vogelschwarms suggerieren. Den Effekt spart der Organist allerdings aus. Dafür rauscht die finale „Caprice sur les grands jeux“ durchdringend und scharf durch das Gotteshaus.
Die Des-Dur-Toccata des in Lüttich geborenen Joseph Jongen (1873-1853) erweist sich als spätromantisch geprägte, von Motorik und trivialen Klangverbindungen erfüllte Piece. Oster spielt sie lautstark, sozusagen mit eingeschaltetem Turbo. Eine Tendenz, die auch die Wiedergabe der A-Dur-Orgelsonate op. 65 Nr. 3 von Felix Mendelssohn Bartholdy bestimmt. Kraftstrotzend, schneidend, ja fast grell und ausnahmslos im Forte spielt er das orchestral angelegte Stück, wohl um den Ausdruck der im Pedal getretenen Choralmelodie „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ zu treffen. Der lieblich und weich tönende Abgesang des „Andante tranquillo“ macht allerdings nicht die in ihrer Gewalttätigkeit geradezu abweisende Wiedergabe des Vorherigen vergessen.
Franz Liszt kommt mit Transkriptionen zwei seiner „Consolation“ genannten Trost-Stücke zu Gehör, die gefährlich nah an gefälliger Salonmusik siedeln. Leicht und schwebend, dann wieder verspielt und ätherisch die in Des-Dur stehenden Nr. II und Nr. III. Um des Kontrastes willen folgt Schumanns zweite, mit „lebhaft“ überschriebene „Fuge über B-A-C-H“: zunächst spielerisch, dann majestätisch auftrumpfend. Ihr schließt sich des Meisters innig vorgetragenes As-Dur-Stück aus „Studien für den Pedalflügel“ an. Doch hätte der Organist diese Abfolge wegen seiner Rückkehr zum barocken Startplatz und aus konzertdramaturgischen Gründen nicht tauschen können? Bachs „dorische“ Toccata und Fuge BWV 538 erklingen durchweg im Fortissimo und stupidem raschen Metrum, formstreng, einfallslos registriert, gestaltungsfern und daher langweilig. Glanz und festliches Gloria können für solches Manko nicht entschädigen. Peter Buske
Peter Buske
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