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Kultur: Mit Witz und ohne Respekt
Stermann & Grissemann in der Waschhausarena
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Es ist wohl das perfideste, provokativste und respektloseste Comedy-Duo, das derzeit sein Unwesen treibt. Kein noch so fieses Schimpfwort, das im Halse stecken bleibt, kein Bereich menschlichen Lebens, den die beiden unberührt lassen. Schließlich sind Tabus ja da, um sie zu brechen. Und außerdem: was gibt es denn eigentlich noch für Tabus in der heutigen Zeit? „Sex“? – langweilig. „Tod“? – längst öffentlich. „Adolf, seine Nazibande und die verkorkste deutsche Geschichte“? – schon tausendmal karikiert. Also als Pionierarbeit kann man das, was die Brecher der sowieso entehrten deutschen Moral da betreiben, schon gar nicht mehr bezeichnen. Oder doch? Entscheiden sie selbst! Vorhang auf für Christoph Grissemann alias die doppelt geschlechtsumgewandelte „Martina Sack-Ziegler“ und den selbsternannten „GRÖKAZ“ (GrößterKochAllerZeiten) – Dirk Stermann.
Im ersten Teil des Programms können die psychologisch gebildeten Zuschauer in der fast bis zum letzten Platz gefüllten Waschhausarena gleich mal auf Spurensuche gehen. Woher kommt eigentlich die Gemeinheit dieser zwei pietätlosen Herren? Ihre Lebensläufe geben Aufschluss: Stermann hatte es bereits seit seiner Geburt schwer. Er wurde auf der Berliner Mauer geboren, was ihm die doppelte Staatsbürgerschaft bescherte. Daher vielleicht seine tiefe innere Zerrissenheit. Sein erster Job führte ihn zum Duisburger Zoo. Dort war er im Bärengehege als „Pandamastubator“ tätig, konnte dann aber schnell durch seine besondere „Aura“ aufsteigen und durfte schließlich auf dem Höhepunkt seiner zoologischen Laufbahn mit den behinderten Delfinen des Tierparks schwimmen. Später verkaufte er Hedgefonds an Globalisierungsgegner und nun macht er in seinem Comdeyduo Witze über Nazi’s und Fäkalien. Ähnlich schwer hatte es Grisseman: Der abgebrochene Zwerg wurde in Österreich geboren. Das reicht eigentlich als Erklärung.
Die beiden funktionieren perfekt auf der Bühne. Wie Maschinengewehrfeuer rattern die Witze und Pointen aus ihren Mündern. Stellenweise mit einer verblüffenden Spontaneität. Längere Pausen sind unerwünscht. Selbst der Applaus vom Publikum wird schnell und abrupt von Grissemann unterbrochen: „Sie brauchen nicht zu klatschen, ich weiß, dass es gut ist, was ich sage“.
Mit der „deutschen Kochschau“ wird die Respektlosigkeit dann im zweiten Teil der Show auf die Spitze getrieben. Es ist der Programmpunkt, auf den die Mehrzahl der Anwesenden den ganzen Abend gewartet hat. Viele können schon mitsprechen wenn die Protagonisten der Nazisatire im Besteckkasten nach den „Messern, Löffeln und Göbbels“ suchen und die Nüsse im „Rührerhauptquartier“ zum „Endsieb gerommelt“ werden. Dabei wandelt sich das Lachen der Zuschauer von einem losgelösten Prusten zu einem konspirativen, die Grenzwertigkeit der Witze erkennenden Holpern. Frei nach dem Motto: „Hoho, eigentlich darf man da ja nicht lachen, aber hier tut es eben jeder.“
Wenn Lachen tatsächlich gesund ist, dann sind Grissemann und Stermann Wunderheiler, Ärzte von einem anderen Planeten. Das ganze Waschhaus kommt vor Lachen nicht mehr zur Ruhe. Mögen sie also mit unserem Segen weiter durch die Lande ziehen und die trübe deutsche Seele mit ungeschminkten, respektlosen Witzen kurieren. Philipp Kühl
Philipp Kühl
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