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Kultur: Mit wohlgeformten Klangperlen Gesang zur Orgel in der Heilandskirche Sacrow

Was man so alles aus der portugiesischen Sprache lernen kann. Unter anderem, dass sie seltsam geformte, schiefrunde Perlen sehr verächtlich „barocco“ zu bezeichnen pflegt – als Synonym für alles überladen Geschmacklose.

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Was man so alles aus der portugiesischen Sprache lernen kann. Unter anderem, dass sie seltsam geformte, schiefrunde Perlen sehr verächtlich „barocco“ zu bezeichnen pflegt – als Synonym für alles überladen Geschmacklose. Dennoch schmückte sich eine höchst gefeierte Kunstepoche mit diesem Namen: Barock. Wie wir es, positiv gesehen, seither lieben! Vor allem die wohlgeformten, matt glänzenden Klangperlen, die uns zahllose Groß- und Kleinmeister zu unterhaltsamem Genuss überliefert haben. Zu einer Zeitreise aus dem Barock hin zum empfindsamen Stil luden unter dem Titel „Ich liebe dich“ Sopranistin Cornelia Zerm und ihr kurzfristig eingesprungener Orgelbegleiter Andreas Kaiser am Sonntagnachmittag in die Heilandskirche zu Sacrow. Dabei ließ es sich die Sängerin nicht nehmen, die erklingende „Musik for aller Gattung Leute“ (Mozart) vor und zwischen den Offerten fachkundig bis anekdotenreich zu erläutern.

Der silbrige, von lieblichen Flötenstimmen geprägte Klang der modernen Wegscheider-Orgel diente sich jedoch nicht nur der Stimme auf geradezu kammermusikalische Weise an, sondern verhalf auch den solistischen Beiträgen zu subtiler Wirkung. Wie es sich für ein englisches Voluntary gehört, eröffnete ein solches Vorspiel von Charles J. Stanley (1713-1786) den unterhaltsamen einstündigen Klangausflug. Langsam, verhalten im Ausdruck verbreiteten sich zunächst geradezu entschleunigende Stimmungen im vollbesetzten Sakralraum, ehe ein schnellerer Teil mit aufstrahlender Melodiestimme zum freien Gedankenflug anregte. Ein vage als „Orgelsolo“ annoncierter Beitrag aus angeblich Bachscher Feder erwies sich als eine kapriziöse, virtuos vorgetragene a-Moll-Fuge. Die „Sonata“ von Gaetano Valeri (1760-1822) klang in ihrer drehleierischen Anlage wie für eine Orgelwalze komponiert – eine flott abgespulte Spielmusik ohne sonderlichen Tiefgang.

Als wesentlich gehaltvoller erwiesen sich die Gesangbeiträge für eine „geläufige Gurgel“ (Mozart), über die Cornelia Zerm zweifelsfrei verfügt. Aufs Vorzüglichste wusste sie ihren glasklaren und kräftigen, intonationssauberen und ansatzsicheren lyrischen Koloratursopran zur Geltung zu bringen. Zunächst noch zu laut, sodass es drei lyrischen Arien aus Händels „Messias“ an pastoraler Innigkeit und Gefühlstiefe mangelte, dann jedoch hatte sie sich auf die der leisen Töne zugeneigten Akustik der Kirche eingestellt. Zwei Arien aus nachweislicher Bachfeder – „Mein gläubiges Herze“ aus der Pfingstkantate BWV 68 und „Flößt mein Heiland“ aus der vierten Kantate des Weihnachtsoratoriums BWV 248 – erklangen auf geradezu fröhliche Weise: höhen- und koloraturensicher, glockenhell, ohne jegliches Schwanken.

In den Gefilden der Wiener Klassik angekommen, fand ihre schlanke, gradlinige, weitgehend vibratolose Stimmführung nun zu gefühlvollerer Ausdrucksdichte. Beethovens Lied „Ich liebe dich“ profitierte davon, umso mehr Haydns „Benedictus“ aus der „Kleinen Orgelmesse“, das sie kraftvoll jubilierend anstimmte. Bei Mozart dann war sie ganz in ihrem Metier als lyrischer Koloratursopran. Im „Quoniam tu solus Sanctus“ aus der „Waisenhausmesse“ KV 139 erblühte ihre Stimme zu voller Schönheit. Locker jauchzte sie abschließend das „Alleluja“ aus „Exsultate, jubilate“ KV 165. Als Zugabe sang sie aus Händels „Rinaldo“ die Klagearie „Lascio ch’io pianga“: auch dies eine rund geformte und matt schimmernde Klangperle. Peter Buske

Peter Buske

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