Kultur: Mittdreißiger
Florian Voß’ „Bitterstoffe“ im Literaturladen Wist
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Der Versuch eines Werkstattgesprächs sollte es werden. Dafür hatte Carsten Wist, Inhaber der gleichnamigen Potsdamer Buchhandlung, am Dienstagabend in den oberen Räumen seines Ladengeschäfts in der Brandenburger Straße das angemessene Szenario geschaffen. Ein großer Tisch, umstellt mit einem guten Dutzend Stühlen, lud ein, Platz zu nehmen und ins Gespräch zu kommen. Zu Gast war, im Rahmen der 18. Berlin-Brandenburgischen Literaturtage, der Autor Florian Voß. Der junge Mann, der bereits zwei Lyrikbände publizierte, stellte mit „Bitterstoffe“ seinen ersten Roman vor.
Der Inhalt ist schnell erzählt. Felix und Julia, in Jugendjahren einmal ein Paar, treffen sich nach fünfzehn Jahren, während der Beerdigung einer gemeinsamen Bekannten, im kleinstädtischen Heimatort wieder und scheitern bei dem Versuch, die einstmals bestehende Verbindung wiederzubeleben.
Im Gespräch mit dem Autor fällt das Wort Generationenroman und es ist wohl zutreffend. Mit Felix und Julia wird die Geschichte der Mittdreißiger erzählt, die, orientierungslos, emotionslos und unverbindlich, durch ihr Leben stolpern. Beide Protagonisten scheinen mehr in der Vergangenheit denn in der Gegenwart zu existieren und statt Entwicklung und Vorwärtsbewegung entsteht schnell der Eindruck von Stagnation. Thematisch betritt Florian Voß hier sicher kein Neuland. Und doch besticht dieses schmale Bändchen vor allem durch seine Sprache. Der lakonische Ton, die knappen, ständig Bilder auslösenden Sätze, der stetige Wechsel in den Zeiten, der sich so nahtlos und traumsequenzenhaft liest, machen diesen Roman zu einem Lesegenuss.
Das mussten sicher auch die Gäste des Abends empfunden haben. Die offensichtliche Freude des Autors am Vorlesen seines Textes und die Tatsache, dass wohl neunzig Prozent der Handlung autobiografisch sind, verliehen den Figuren der Geschichte die nötige Farbe.
Im anschließenden Gespräch, in dem die Gäste interessiert, aber zurückhaltend blieben und es eher zu einem Dialog zwischen Veranstalter und Gast kam, wurden nicht nur die Frage der Titelwahl oder die nach der wirtschaftlichen Situation eines zeitgenössischen Autors geklärt. Florian Voß stellte auch fest, dass der Versuch eines Lyrikers, sich in Prosa zu versuchen, sehr selten sei. Bedauerlich eigentlich, scheint es doch offensichtlich, dass so ein Ausflug auf fremdes Terrain auch gelingen kann.
Vielleicht ist mit dem jungen Schriftsteller ein neues deutsches Erzähltalent entdeckt und vielleicht gelingt der nächste Versuch eines Werkstattgespräches im Literaturladen Wist ja auch schon ein wenig selbstverständlicher.
Andrea Schneider
Andrea Schneider
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