zum Hauptinhalt

Kultur: Mittendrin

„The War Tapes“ in der Galerie Kunstraum

Stand:

Den ersten direkten Feinkontakt haben die Soldaten nach neun Monaten. In der irakischen Rebellenhochburg Falludscha. Plötzlich fallen Schüsse, das Kamerabild verwackelt. Dann hebt das ohrenbetäubende Bellen des Maschinengewehrs auf dem Dach des Humvees an. Einer der Soldaten brüllt „Smith is down. Smith is down.“ Schon jagt der Humvee um das Haus herum, das die amerikanischen Soldaten durchsuchen wollten, den flüchtenden Rebellen hinterher, die im Kugelhagel keine Chance haben.

Später wird Steven Pink in seinem Irak-Tagebuch schreiben, dass er in diesem Moment nur noch eines wollte: Töten. Monate später, zurück in den USA, wird der von den Hunden erzählen, die sich an den Leichen zu schaffen machten. Und dass es ihm egal war. Es gab keine militärische Anweisung, diese Hunde zu erschießen. Sollten sie sich doch die Bäuche voll fressen an diesen „Motherfuckers“, die Pinks Kameraden niedergeschossen hatten.

Es war eine Reise in das finstere Herz des Krieges, auf die sich die Besucher der Galerie Kunstraum am Mittwochabend begaben. Eine Tortur namens „The War Tapes“. Die Journalistin Deborah Scranton gab im Jahr 2004 drei Soldaten der amerikanischen Nationalgarde kleine Kameras in die Hände, damit sie ihren 16-monatigen Aufenthalt im Irak filmen konnten. Aus mehr als 1000 Stunden Material hat Scranton den preisgekrönten Dokumentarfilm „The War Tapes“ gemacht, der im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Blind Spot. Fotografien eines Krieges“ gezeigt wurde.

Die Soldaten nehmen einen mit auf die endlosen Touren der Lastwagen, die sie als Eskorten begleiten und wo der Feind durch Bomben am Straßenrand oder Raketenangriffe immer gesichtslos bleibt. Man ist dabei, wenn Zivilisten in ihren brennenden Autos sterben oder ein Mädchen von einem Humvee überfahren wird. Man sieht in die Gesichter der Soldaten, die von Angst, Unsicherheit und Wut gezeichnet sind. Man ist dabei, wenn die Familien der Soldaten in der Heimat versuchen, mit ihrer Angst umzugehen. Und man erlebt, wie mit den Monaten des Aufenthaltes im Irak der Ton der Soldaten immer rüder wird. „Fuck“, „fucking“ und „motherfucker“ sind die Worte, die am häufigsten fallen. Denn nicht nur der Zuschauer, immer mehr auch die Soldaten fragen sich, um was es in diesem Krieg überhaupt geht, was sie in diesem Land zu suchen haben. Dirk Becker

Die Ausstellung „Blind Spot. Fotografien eines Krieges“ ist noch bis zum 6. Dezember, mittwochs bis freitags, 12-18 Uhr, und am Wochenende, 11-18 Uhr, zu sehen

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })