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Kultur: „Monsieur, à present je suis roi!“

Heraus aus dem Schatten des Vaters: Als aus dem Kronprinzen Friedrich ein König wurde

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Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die am Freitag eröffnet wurden, stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“. In einer fünfteiligen Serie (Heute: Teil 4) widmen sich die PNN den mal mehr oder weniger freundschaftlichen Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen im 17. und 18. Jahrhundert.

Zeiten ändern sich. Von dieser unumstößlichen Tatsache blieben auch Sachsen und Preußen nicht verschont. Das gute Verhältnis der beiden Länder hatte 1728 seinen Höhepunkt erreicht. Sicherlich, auch nach den gegenseitigen Besuchen in Dresden und Berlin blieb man in enger Verbindung. Etwa durch die gemeinsame societe de antisobres, der Gesellschaft der Nüchternheitsgegner, der die beiden Monarchen vorstanden und deren Name Programm war. Man „tauschte“ Musiker und Künstler. Friedrich Wilhelm besuchte 1730 das Zeithainer Lustlager Augusts des Starken, die bis dato größte Truppenschau, die das sich rüstende Europa bisher gesehen hatte. Doch es war kein reiner Vergnügungsbesuch, der preußische Monarch warf auch einen Blick darauf, wie es um das sächsische Heer bestellt war. Pragmatisch stellte er fest: „Die drei Regimenter Kronprinz gut,. Pflugk sehr miserabel, schlecht.“ Man konnte schließlich nicht vorsichtig genug sein. Es waren verwirrende Zeiten in Europa, die Herrscher wechselten und die Bündnisse wankten. So dachte auch August der Starke. Er träumte von einer dritten Macht, die unabhängig vom Kaiser und anderen Mächten war. Doch die Denkschrift, die er nach Berlin sandte, hatte nicht die erhoffte Wirkung. „Wer soll aber das Haupt sein“ fragte der König von Preußen: „Saxen? Da aber lasse mir lieber mein Land brennen.“

Doch zuerst einmal hatte Friedrich Wilhelm genug Probleme mit seinem Sohn. Der Jüngling, der stärker musisch orientiert war, als dass er dem Heer etwas abgewinnen konnte, trieb den im Alter immer jähzorniger werdenden König zur Weißglut. Die Lage spitzte sich zu. Und schließlich verprügelte Friedrich Wilhelm den Thronfolger während des Zeithainer Lagers nach Strich und Faden vor den Augen von Diplomaten aus ganz Europa. Was folgte, ist allgemein bekannt: der Fluchtversuch des Prinzen, die Hinrichtung seines Verbündeten Katte und die Zeit in Küstrin und Ruppin beziehungsweise Rheinsberg.

Währenddessen gab es in Sachsen Komplikationen: Der König war tot. 1733 starb August der Starke in Warschau. Ein Bild von einem Mann war er, der schwer Zuckerkranke schon seit einigen Jahren nicht mehr. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Friedrich August II. An seinen Vater reichte der „Mantelsack von Dresden“, wie er aufgrund seiner steifen Art von den Mitgliedern des preußischen Tabakkollegiums spöttisch genannt wurde, nicht heran. Er präferierte Wein, Weib und Gesang, das politische Tagesgeschäft war seine Sache nicht. Doch in einem Punkt zeigte er sich äußerst ehrgeizig: Die Krone von Polen, die musste er haben. Gut, dass da der Graf Heinrich von Brühl war, der, kaum das August der Starke verstorben war, die polnischen Reichskleinodien an sich nahm und nach Dresden brachte. Dass er dazu kein Recht hatte und dass die Kleinodien nicht gleichbedeutend mit dem Königstitel waren, interessierte weder Brühl noch den Thronfolger. Brühl war mehr als nur die rechte Hand des neuen Regenten, viele sahen in ihm den eigentlichen Lenker des Staates. Doch zunächst galt es, die polnische Krone zu sichern. Aber man wollte auch die preußische Zustimmung und die war an bestimmte Bedingungen geknüpft.

Es ging um Gebietsstreitigkeiten, den Salztransport von Halle nach Elbing und die Erlaubnis, Soldaten in Polen und Litauen anzuwerben. Friedrich Wilhelms letzte Bedingung schlug dem Fass den Boden aus. Er wünschte das Regiment von Rutowski zu erhalten, da es für seine hochgewachsenen Soldaten berühmt war. Das war zuviel für den neuen August, er machte Ausflüchte und schickte an Stelle des Regiments nur zwei nicht besonders große Soldaten nach Preußen. Insgeheim glaubte der Thronfolger, auch ohne preußische Unterstützung ans Ziel zu gelangen. Auf lange Sicht war das jedoch zu kurz gedacht.

Und Preußen? Der Thronfolger gab sich seinem Vater gegenüber geläutert und ohne Murren akzeptierte er 1733 die für ihn ausgesuchte Braut Elisabeth Christine, die Älteste aus dem Hause Wolfenbüttel-Braunschweig-Bevern. Das war aber auch schon alles, denn bis zum Einzug ins Rheinsberger Schloss 1736 leben die beiden getrennt voneinander. Und ähnlich wie August der Starke war auch Friedrich Wilhelm nur noch ein schwaches Abbild seiner selbst. Die letzten Jahre bis zu seinem Tod 1740 war er aufgrund der Gicht und seiner enormen Fettleibigkeit an den Rollstuhl gefesselt. Schließlich verließ er Berlin, dessen Bewohner ihm schon immer suspekt waren, nicht zuletzt wegen ihrer Respektlosigkeit. „In Potsdam will ich sterben“, hatte Friedrich Wilhelm einst geäußert. Und dieser Wunsch erfüllte sich am 31. Mai 1740.

Der König ist tot, es lebe der König! Was hatte man zu erwarten von dem Mann, den der französische Gesandte als die „hübscheste, niedlichste Majestät in ganz Europen“ bezeichnete, „mit lockigem Haar und großen blauen Augen“? Zunächst einmal klärte Friedrich II. die Machtverhältnisse in ganz und gar nicht anti-machiavellischer Tradition und machte allen unmissverständlich klar: „Monsieur, à present je suis roi!“ (Mein Herr, ich bin jetzt König!) Denn im Gegensatz zum sächsischen Herrscher war ihm der Thron sicher. Der Hof des neuen Königs war gespalten, hier existierten verfeinerter Intellekt und das Militär nebeneinander.

Außenpolitisch begann Friedrich seine Regierungszeit mit einem Krieg, den man später den Ersten Schlesischen Krieg nennen sollte. Schon wieder hatte ein gekröntes Haupt das Zeitliche gesegnet und es war nicht irgendwer, sondern der Kaiser in Wien. Nein, Friedrich hatte nicht vor, Kaiser zu werden, vielmehr dachte er daran, Schlesien Preußen einzuverleiben. Auf Teile Schlesiens erhob man schon lange Ansprüche und militärisch war Preußen in der Lage, diese durchzusetzen.

Dies war der letzte Krieg, in dem Preußen und Sachsen als Verbündete auftraten. Sachsen hatte dabei ein Auge auf Mähren geworfen, doch war das alles andere als einfach. Als Friedrich II. im Januar 1742 in Dresden eintraf, wurde er mit Festen empfangen. Für den Operationsplan des weiteren Kriegsverlaufes schien man sich dort nicht zu interessieren. Und noch schwieriger wurde es für den König, ein Hilfscorps zu erhalten. Dies geschah, „weil man ihm nicht traute und dann, weil Niemand wusste, wer in Dresden eigentlich Regent sei.“ So urteilte zumindest die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. Ganz anders lautet noch heute das Urteil aus sächsischer Sicht über diesen Besuch, wonach Friedrich anstelle von politischen Verhandlungen lieber in die Oper ging und einen Maskenball besuchte. Wie es sich auch immer zugetragen hatte: Im April desselben Jahres antwortete Friedrich auf die Frage des sächsischen Ministers Bülow, wer seinem Herrn nun die Krone von Mähren aufsetzen solle: „Man gewinnt eine Krone nicht anders als mit grobem Geschütz und es ist der Sachsen eigene Schuld, wenn es daran gefehlt hat.“

Während Preußen am Ende des Krieges einen großen Teil Schlesiens sein eigen nennen konnte, ging Sachsen leer aus. Doch das war erst der Erste Schlesische Krieg.

Andreas Dubslaff, geboren in Potsdam, ist Kunsthistoriker und lebt in Dresden

Weitere Informationen zum Programm unter: www.musikfestspiele-potsdam.de

Andreas Dubslaff

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