Kultur: Morbide Erotik in Stein
Die Fotografin Monika Schulz-Fieguth stellt ihre Bilder im Wirtschaftsministerium aus
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Es ist eine seltsame Erotik, welche die Skulpturen auf Monika Schulz-Fieguths Bildern ausstrahlen. Seltsam, weil an Stein eigentlich nichts Erotisches zu finden ist, es aber dennoch da ist. Diese prickelnde Faszination, die beim Anblick der statischen Körper aufkommt. Körper, die meist nicht mehr komplett sind, denen ein Fuß, eine Nase, manchmal sogar der ganze Kopf fehlt. Doch irgendwie schafft es die Fotografin trotzdem, geschwungene Beinlinien oder die Rundungen einer Brust sinnlich einzufangen. Wahrscheinlich deshalb, weil sie die morbide Erotik der Figuren von Anfang an gespürt hat, wie sie am gestrigen Mittwoch bei der Vernissage ihrer aktuellen Ausstellung „Potsdam. Photographische Begegnungen“ sagt. Noch bis zum 8. Januar 2016 sind einige, schon ältere Werke der bekannten Potsdamer Fotografin im Brandenburgischen Ministerium für Wirtschaft und Energie zu sehen.
Dabei zeigt sie Bilder aus ihrem Bildband zum Heiligen See aus dem Jahr 2007, Porträtaufnahmen von Arbeitern aus dem Glindower Ziegeleiwerk von 2014 und eben die barocken Skulpturen, die zum ehemaligen Stadtschloss gehörten. Aufgenommen hat Fieguth sie im Schirrhof der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG), in dem sie seit dem Schlossabriss liegen und teilweise auf ihre Restaurierung warten, wie sie erklärt. Und genau so hat sie sie auch eingefangen: Wartend, in der Zeit erstarrt und doch auf eine eigenartige Weise lebendig. So lebendig, dass einige Figuren beim langen Betrachten kurz davor sind, aufzustehen und aus dem Bild zu steigen. Vor allem aber ist es Fieguth gelungen, die Schönheit der Bildhauereikunst einzufangen. Etwa in zwei Rückenansichten, in denen die Figuren kokett ein Tuch nach unten gleiten lassen, um einen Blick auf ihren Po freizugeben. Oder in der Abbildung einer Dame ohne Kopf, deren voluminöses Haar sich trotzdem noch über den Rücken sowie eine Schulter kringelt.
Voller Schönheit sind auch ihre Aufnahmen vom Heiligen See, den sie vor allem im Herbst und im Winter zeigt, eingehüllt in Nebel oder sogar schon mit erster Schneedecke. Vor allem den Monat November liebt sie sehr, wie sie erzählt, weil sich dann alles irgendwie in sich zusammenzieht und in eine besondere Stimmung getaucht ist. Ihre Fotografien spiegeln diese Stimmung eindrucksvoll wieder. Fast entrückt wirken die Landschaftsaufnahmen rund um den See, sodass sie beim Betrachten neu entdeckt werden können. So etwa eine Aufnahme der Schlossküchenruine unterhalb des Marmorpalais, die von rotgefärbten herbstlichen Bäumen umrahmt ist und hier ebenso der Eingang zu einer Märchenwelt sein könnte. Überhaupt wirken die eingefangenen Bäume oder Häuser, wenn sie sich leicht verzerrt im Wasser spiegeln, wie Parallelwelten ihres eigenen Seins. Welten voller Geheimnisse und Mystik, in die sich der Betrachter ganz und gar versenken kann.
Auch mystisch, aber auf eine ganz andere Art wirken da Fieguths Aufnahmen aus der Glindower Ziegelei, auf denen sie lehmbeschmierte Arbeiter zeigt. Trotz all der Körperlichkeit, welche die Männer auf den Fotos ausstrahlen, mutet ihnen auch etwas sehr Persönliches, fast Zerbrechliches an. Wie Fieguth sagt, habe sie sich beim Besuch der Ziegelei sofort in die Gesichter verliebt, denen sie sich nach und nach genähert hat. Dabei habe sie als Fotografin genauso wie die Porträtierten erstmal ihre Scheu überwinden müssen, nur dann gelinge es, mit der Kamera nahe an die Menschen heranzukommen. Und nahe dran ist sie. Vor allem bei der Aufnahme eines schnauzbärtigen Mannes, auf der jede Lachfalte, jede Bartststoppel und sogar das feuchte Glitzern seiner Augen zu erkennen ist.
Beim Betrachten all dieser faszinierenden Aufnahmen ganz unterschiedlicher Art wünscht man sich am Ende eigentlich nur eines: Einen anderen Standort. Denn in den Fluren des Ministeriums, in die sich Normalbürger nur selten verirren und in denen das Rattern des Kopierers fast nie abbricht, wirken die kunstvollen Fotografien eher verloren als gewürdigt. Ein Schicksal, das sich die Arbeiten mit denen des Potsdamer Fotografen Göran Gnaudschun teilen, dessen Bilder im Kulturministerium ausgestellt sind. Zwar sind Fieguths Bilder in ihrer Wirkung stark genug, um die statischen Räumlichkeiten zu überwinden, doch kommen so sicherlich viel zu wenig Besucher in den Genuss ihrer erotisch-mystischen Aura.
Noch bis zum 8. Januar 2016 im Wirtschaftsministerium, Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 2, erste Etage
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