Kultur: „Morgen hole ich deinen Mann“
Am Sonntag wird in der Bornstedter Kirche des Widerständlers Klaus Bonhoeffer gedacht
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Am 23. April 1945, die russische Armee stand bereits in den Außenbezirken von Berlin, peitschten auf dem Ruinengelände des Tiergartens Schüsse. Ein Kommando des Reichssicherheitshauptamtes entledigte sich der letzten im Zusammenhang mit dem Hitlertattentat vom 20. Juli 1944 im nahe gelegenen Gefängnis Lehrter Straße inhaftierten Widerstandskämpfer. Unter den Kugeln fiel auch Klaus Bonhoeffer, der ältere Bruder des Theologen Dietrich Bonhoeffer, einer der führenden Köpfe des Widerstands.
Seine Frau erfuhr erst vier Wochen später vom Tode ihres Mannes. Emilie (Emmi) Bonhoeffer hatte alles getan, sein Leben zu retten. So konnte sie mit Hilfe eines Ministerialrates im Justizministerium die Akte ihres Ehemanns verschwinden lassen, weil sie wusste, dass sie vor der Vollstreckung des am 1. Oktober 1944 verhängten Todesurteils vom Minister unterzeichnet werden musste. Zudem hoffte sie auf die Hilfe ihres Cousins Lutz Heuss, dem Sohn des späteren Bundespräsidenten, dem es gelungen war, durch Bestechung seine Schwiegermutter und seine Verlobte aus dem Gefängnis herauszuschmuggeln. „Morgen hole ich deinen Mann“, hatte er Emmi Bonhoeffer noch am 22. April voller Optimismus angekündigt.
Doch alle Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch. Klaus Bonhoeffer starb den Märtyrertod, über den er seiner Frau gesagt hatte: „Die sind hinter mir her, es kann sich nur um Tage handeln. Dann wird man meinen Kindern wenigstens nicht nachrufen können, dein Vater war auch so ein Schwein, der alles gewusst und nichts getan hat.“ Als der Erschossene nach Kriegsende auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof Berlin beigesetzt wurde, sagte sein Freund Eberhard Bethge in der Grabrede: „Sie versuchten dem Hergott in den Arm zu fallen, aber Er hatte das Gericht beschlossen."
Wenn wie alljährlich aus Anlass des 20. Juli 1944 in der Bornstedter Kirche am Sonntag um 16 Uhr der Widerständler gedacht wird, steht diesmal Klaus Bonhoeffer im Mittelpunkt. Der 1901 geborene Jurist, der 1936 zum Rechtsberater, später zum Chefsyndikus der Deutschen Lufthansa aufstieg, war mit Potsdam eng verbunden. Seine Mutter war Tochter des Hofpredigers Karl Alfred von Hase, Vater seiner Frau Emmi der führende Historiker Hans Delbrück, der seine Laufbahn beim späteren Kaiser Friedrich III. als Erzieher des Prinzen Waldemar begonnen hatte. Sein in Sacrow wohnender Schwager Hans von Dohnany holte ihn 1944 in das Amt Ausland/Abwehr. Dort konnte er mit seinen Kontakten Verbindungen zum militärischen, kirchlichen, sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstand um seinen Vetter Arvid Harnack herstellen. Ein Lebensbild Bonhoeffers findet sich im Sammelband „Essay, Gespräch, Erinnerung“, den die Potsdamer Autoren Sigrid Grabner und Hendrik Röder im Lukas-Verlag herausgaben.Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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