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Kultur: Mozart als Teenager

Ensemble „I Confidenti“ präsentierte Kleinode aus Mozarts italienischen Jahren

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Eines der am besten gehüteten Geheimnisse des Vatikans war die Partitur des „Miserere“ von Gregorio Allegri. Wer es wagte, diese neunstimmige Motette, die seit 1630 alljährlich an Ostern in der Sixtinischen Kapelle gesungen wurde, zu transkripieren, dem wurde die Exkommunizierung angedroht. Doch den jungen Mozart scherte das wenig. Kaum war er in Rom angekommen, besuchte er mit seinem Vater die Aschermittwoch-Messe. Noch in der Nacht schrieb der Vierzehnjährige das Gehörte auf. Auf Umwegen gelangte die Partitur nach London, wo sie 1771 erstmals veröffentlicht wurde.

Dieses faszinierende mystische Musikstück war einer der Höhepunkte der Aufführung „Mozart a Milano“ des Brandenburgischen Ensembles I Confidenti und der L“Académie Baroque de Montréal. Die Inszenierung im Schlosstheater des Neuen Palais führte mitten hinein in die Welt des Teenagers Mozart. Unter der musikalischen Leitung von Alexander Weimann brillierten talentierte Sängerinnen und Sänger, darunter der Sopran Michael Maniaci, der demnächst an der Metropolitan in New York debütiert. Fantasievolle Bühnenbilder und Kostüme von Christine Jaschinsky geben dem musikalisch-historischen „Pasticcio“ einen originellen, stilvollen Rahmen. Mozart komponierte geistliche Musik ebenso brillant wie weltliche Werke. Weniger als die Musik änderten sich die Themen. Hier frivole Liebesspiele und vergebliche Liebe in opera buffa respektive seria, da Gottesanbetung in Messen und Motetten.

Als ungemein vielseitig talentiert erwiesen sich die jungen Darsteller aus Kanada und den USA. Die von Marie-Nathalie Lacousière choreographierte „Festa teatrale“ folgte den emotionellen Fieberkurven der Liebe. Dass diese schon dem jungen Mozart vertraut waren, zeigten die heiteren und tragischen Arien und Duette aus den Opern „Lucio Silla“, „La finta giardinera“ und „La finta semplice“ des gerade mal Zwölf- beziehungsweise Sechzehnjährigen. Mit ihrem überaus klaren, kultivierten Sopran begeisterte Suzie LeBlanc nicht bloß in den Da-Capo-Arien. Auch Giovanni Ferrandinis lyrisch-dramatische Solo-Kantate „Il pianto de Maria“ erklingt bei ihr überaus sublim, beseelt, edel.

Zarte, kindliche Anmut in Tanz und Gesang verkörperte die zierliche Dorothéa Ventura, ein Ausnahmetalent. Als Bariton überzeugte Tyler Duncan in Nardos Lied „Con un vezzo all Italiana“ sowie erst recht im Antiphon „Quaerite primum“, einem diffizilen Gesangsstück von Mozarts berühmtem Kontrapunktlehrer Padre Martini. Der gespannt erwartete Newcomer Michael Maniaci besitzt eine höchst ungewöhnliche Stimme, ein Natur-Sopran, der nicht durch Falsettieren erzeugt wird. Weich, beweglich und sehr natürlich singt er, ein geborener Sänger, vor allem in den großartigen Arien, die Mozart für den berühmten Kastraten Veneziano Rauzzini geschrieben hat. Seiner Darbietung des „Exultate jubilate“ fehlte indessen bei allem vokalen Charisma noch der letzte Feinschliff. In der neuen Version (A. Weimann) des „Miserere“ vereinten sich die hervorragenden Gesangsqualitäten aller, einschließlich des Regisseurs Guilleaume Bernardi, noch einmal beeindruckend. Nicht zuletzt das kleine Orchester sorgte für musikalischen Genuss in dieser sehr gelungenen Inszenierung, der man noch viele Zuhörer wünscht.

Keiner außer Mozart hätte es wohl geschafft, das „Miserere“ nach dem Gehör aufzuschreiben. Bestraft wurde er nicht. Noch im selben Jahr empfing ihn der Papst und ernannte ihn zum „Ritter vom goldenen Sporn“. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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