Kultur: Munteres Sommertheatermit Goldoni „Diener zweier Herren“
in der Kleist-Schule
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in der Kleist-Schule Zwei Jobs anzunehmen, damit der Magen nicht knurrt, zwei Herren also zu dienen, ist jedermanns Sache nicht. Carlo Goldonis hochberühmter Diener Truffaldino aus dem ländlichen Bergamo ist als armer Schlucker dazu gezwungen. Sein Herr Federico Rasponi ist bei einem Duell in Turin ums Leben gekommen, nun hat er sich bei seiner als Mann verkleideten Schwester Beatrice verdingt, die nach Venedig ging, um ihren Geliebten Florindo zu suchen, angeblich der Mörder ihres Bruders. Ihm steht der durchtriebene Schalk und Pauper gleichfalls zu Diensten. Wie Goldoni durch „Diener zweier Herren“ 1745 in Venedig seinen Durchbruch als Bühnenautor feierte, so gab die Theatergruppe „Marameo“ am Donnerstag mit ihrer ersten Produktion im restaurierten Hof der Grande Ecole zu Potsdam (Kleist-Schule) eine vielleicht ähnliche Premiere in eigener Sache: Irgendwie aus dem „Poetenpack“ hervorgegangen, steht das Ensemble nun auf eigenen Füßen, doch wird es nicht leicht, ein neues Profil zu finden: Andreas Lüder war schon beim „älteren Bruder“ am Regiepult fürs Klassische zuständig, auch Bühnenbildnerin Bettina Plesser und Percussionist Botho Karger dienen den „Poeten“ sonst in Treue. Ein „Truffaldino-Effekt“? Man wird vorerst mehr von Geschwistern reden als von Konkurrenz. Heiße Italo-Gesänge, Wein und „Genüsse“ wie Panini, Crissini und Mozzarella-Spezialitäten aus einem Gourmet-Geschäft sorgten vor und in der Pause für „inneres Wohl“ und südliches Flair. Das Spiel zu Fünft beginnt mit einem Streit zwischen dem Kaufmann Pandolfo (Christoph Keune, auch als Florindo) und dem schlitzohrigen Advokaten Lombardi (Rainer Schubert) aus den Fenstern des ersten Stockes. Man lacht sich nach Commedia-Art fast tot über den gemeldeten Tod Rasponis, denn nun ist der Weg frei für eine Liaison zwischen dem Dottore-Sproß Silvio (Rainer Schubert) und Pandolfis Tochter Rosaura (Sia Niskios, auch Wirt Tebaldo). Die verkleidete Beatrice (Graziella De Santis, etwas pressiert) kommt freilich dazwischen, und mit ihr, ewig hungrig, Truffaldino, der, als Diener zweier Herren in ärgste Bedrängnis geraten, sie überkreuz für tot erklärt; dass sich die Liebenden deshalb selber meucheln mögen, lässt Lüders Inszenierung ebenso weg wie Truffaldinos herzverliebte Sehnsucht nach der Kammerjungfer Smeraldina. Der agile und äußerst gelenkige Oli Rickenbacher ersetzt sie durch hübsche Lazzi, indem er die Zuschauerin Bettina witzig ins Commedia-Geschehen involviert. Auf einer schlichten Bühne mit sechsgassiger Doppelblende trägt die Oberschicht reinsauberes Weiß (Beatrice ein nobles Stöffchen in Grau), das Volk wird plebejisch kostümiert. Freilich ist der Streit zwischen Commedia dell’ arte und Charakterkomödie in diesem munteren Sommertheater noch nicht entschieden, man spielt kräftig, körperbetont, einfallsreich, gelegentlich schrill bis zum Slapstick. Rickenbacher, in Mimik und Gestik überragend und stets den Augenblick zeigend, schwankt zwischen Seele und Clown, Beatrice und Florindo könnte mehr „Charakter“ nicht schaden. Die selbstberufenen „Tücken der Verhältnisse“ sind ja immer attraktiv: „Marameo“ bedeutet sowohl „Blick von unten“ als auch „jemandem eine Nase drehen“. Froschperspektive also. Nach zwei kurzweiligen Stunden ist man in der Gegenwart. Die Oberen haben sich in Liebe gefunden, der arme Truffaldino wird dafür mit seinem eigenen Löffel verprügelt. Gut, dass er in seiner Angebeteten Trost findet: „Mein Herz heißt Bettina!“ seufzt er mit verdrehten Augen ins Publikum hinein. Viel Beifall zur Premiere, verdient. Gerold Paul Vorstellungen: heute und morgen 20 Uhr,Kleist-Schule, Friedrich-Ebert-Straße.
Gerold Paul
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