Kultur: Musical-Dröhnung
„Bibi Blocksberg“ gewann erst nach der Pause an Fahrt / Gastspiel des Cocomico Theaters Köln aus im Nikolaisaal
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„Bibi Blocksberg“ gewann erst nach der Pause an Fahrt / Gastspiel des Cocomico Theaters Köln aus im Nikolaisaal Von Dagmar Schnürer Wie sorglos wäre das Leben, wenn sich jeder Misserfolg in einen Erfolg umwandeln und mühseliges Lernen durch Hexerei umgehen ließe. Doch ganz so einfach ist es nicht, auch nicht für Bibi Blocksberg, die kleine Hexe. Zwar lässt sich die Mathe-Lehrerin kurzzeitig in eine Witzfigur verhexen, aber das kann nichts daran ändern, dass die Lösungen in Bibis Mathearbeit alle falsch sind. Sie kommt mit einer Fünf nach Hause. Der Versuch, „mangelhaft“ in „fabelhaft“ umzuhexen, schlägt ebenfalls fehl, nicht zuletzt, weil Bibi zu spät auffällt, dass es die Note „fabelhaft“ gar nicht gibt. Der Drang, ihr Leben nur durch Hexerei angenehm und erfolgreich zu gestalten, scheint die kleine Hexe nur umso tiefer in Schwierigkeiten zu bringen. Und manche Schwierigkeiten sind etwas ernster als eine Fünf in Mathe. Das Cocomico Theater aus Köln gastierte mit „Bibi Blocksberg – Das Musical“ im Nikolaisaal. Vergangenen November war die Uraufführung des Musicals in Berlin und seitdem ist die Tourneeproduktion in Deutschland unterwegs und will Kinder und deren Familien beglücken. Der Nikolaisaal war nicht einmal halb voll, was vielleicht mit an dem Preis lag, den solch ein technisch aufgepepptes (und ohne staatliche Förderung auskommendes) Spektakel fordert. Als die jungen Eltern entschieden, dass sechzig Euro für drei Karten ihre Grenzen überschreiten, schluckte die kleine Tochter das tapfer und ließ nur ein „Schade.“ hören, bevor sie ihren Eltern zum Ausgang folgte. Hat sie etwas verpasst? Das Abenteuer kam erst nach der Pause so richtig in Fahrt, als es darum ging, den beliebten und traditionsreichen Hexentreff Schloss Klunkerburg zu retten. Der Bürgermeister (Malcolm Walgate) plante nämlich, das Schloss in ein Luxushotel umzubauen, zu dem nur noch reiche kinderlose Touristen Zutritt haben sollten. Karla Kolumna, rasende Reporterin und „running gag“ nicht nur der mittlerweile 79 Hörspielfolgen von „Bibi Blocksberg“, sondern auch derjenigen von „Benjamin Blümchen“, konnte solch ein Projekt nicht akzeptieren. Von Suzan Erentok dynamisch und witzig gespielt, sorgte Karla Kolumna mit der entsprechenden Schlagzeile für einen öffentlichen Skandal. Bibi (Alexandra Gehrmann) und ihre Mutter (Vanessa Daun) riefen den Hexenrat zusammen. So kamen zwei Figuren ins Spiel, die sich schnell die Gunst des jungen Publikums erspielten. Schubia (Annika Päs), die Punk-Hexe mit grünen Haaren, und Walpurgia, die alte traditionsbewusste Hexe. Schubia schlackste mit kniehohen roten Lackstiefeln umher, immer cool, rotzige Sprüche mit rauer Stimme zum Besten gebend. Walpurgia kicherte heiser und schwenkte ihren mächtigen Hinter unterm Kleid im Takt der Musik. Die Besetzung der Walpurgia mit einem Mann (Malcolm Walgate), der seine Stimme in die Höhe drücken musste, gab der Figur eine herrlich skurrile Note. Obwohl die zwei Junghexen Bibi und Schubia sich über den Willen der Althexen hinwegsetzten und damit alle in ein Grusel-Abenteuer auf Schloss Klunkerburg verwickelten, renkte sich zum Schluss alles wieder ein. Der Bürgermeister gab sein Projekt auf. Eine weise Entscheidung, da er sonst den Rest seines Lebens zum Denkmal verhext zugebracht hätte, in lächerlicher Pose. Eine kurzweilige Inszenierung (Uwe Vogel) mit Lust am witzigen Detail. Die Wunder der Hexerei wurden jedoch eher unspektakulär gelöst, ein bisschen Blitzlicht, Trockeneis und Geräusche. Die Songs (Musik: Uwe Vogel, Texte: Marcell Gödde) waren wenig einprägsam und bestanden hauptsächlich aus einer elektronischen Begleitung mit viel Rhythmus, welche die Tendenz hatte, die Gesangsstimmen zu übertönen. Was dem Spiel und den Choreografien an Tempo fehlte, sollten Beat und Lautstärke kompensieren. Ein schaler Nachgeschmack blieb zurück, der sich in dem zunächst verhaltenen Schlussapplaus spiegelte. Doch auch hier kam die Musik zur Hilfe, heizte kräftig ein und schon klatschten alle im Takt und jubelten.
Dagmar Schnürer
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