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Kultur: Musik-Hotel mit Dusche Sechs Bands beim „Fest van Cleef“ im Lindenpark

Schon am Nachmittag wird eingecheckt. Der Lindenpark verwandelte sich am Freitag in das „Grand Hotel van Cleef“ und über das Unterhaltungsprogramm in selbigem konnte man nicht meckern: Kilians, Maritime, Bernd Begemann, Hansen Band, Kante und Kettcar.

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Schon am Nachmittag wird eingecheckt. Der Lindenpark verwandelte sich am Freitag in das „Grand Hotel van Cleef“ und über das Unterhaltungsprogramm in selbigem konnte man nicht meckern: Kilians, Maritime, Bernd Begemann, Hansen Band, Kante und Kettcar. „Grand Hotel van Cleef“ ist das 2002 gegründete Plattenlabel von Tomte-Sänger Thees Uhlmann und den Kettcar-Musikern Reimer Bustorff und Marcus Wiebusch. Nach den erfolgreichen Konzerten im letzten Jahr machte das „Fest van Cleef“ diesmal auch Station in Potsdam.

Hunderte beäugen neugierig die Jungspunde der Band Kilians, die sich auf der Open-Air-Bühne abrackern. Musikalisch jetsetten sie von New York (The Strokes) nach Skandinavien (Mando Diao) und lassen sich auch oft und gern vom britischen, schrammeligen Post-Brit-Pop beeinflussen. Die dürfen wiederkommen! Kaum bekannt und deshalb auch kaum beachtet, versucht Maritime aus Wisconsin anschließend vergeblich in Kommunikation mit dem Publikum zu treten. Die meisten Zuschauer interessieren sich mehr für ihre Bratwurst als für den beachtenswerten Indie-Rock.

Der bärige Bernd Begemann hat weniger Probleme. Die Dreieinigkeit von Begemann, Fender-Verstärker und Gibson-Gitarre wird herzlich aufgenommen. Mit ironisch-poetischen Texten, großem Rock-Gehabe und puristischem Gitarreneinsatz reflektiert er den Alltag mit Zynismus. Seine Bewegungen sollen Elvis sein, sind aber Joe Cocker im LSD-Rausch. Er klugscheißert sich 45 Minuten in die Herzen des Publikums und gibt den väterlichen Berater, der die Weisheit intravenös geliefert bekommt.

Leider ging im so prachtvoll ausgestatteten Grand Hotel immer wieder die Dusche an: mehrere Regenschauer muss das Publikum über sich ergehen lassen. Der Zimmerservice, der in den Pausen durch Thees Uhlmann persönlich übernommen wurde, spricht den Gästen zwar Mut zu, mit nassen Klamotten tanzt es sich aber wirklich schlecht.

Die Hansen Band kann Wolken und Regen-Genörgel aber noch einmal vertreiben. Die Band entstand zum halbdokumentarischen Film „Keine Lieder über Liebe“ mit Jürgen Vogel. Die fiktive Band mit Vogel am Mikrophon und Musikern von Kettcar und Tomte entwickelte aber ein Eigenleben jenseits der Leinwand. Nach dem „Fest van Cleef“ soll mit der Hansen Band nun endgültig Schluss sein. Im Lindenpark legt sich Vogel aber besonders ins Zeug, sind doch die kritischen Augen und Ohren seiner Tochter Emma zum ersten Mal auf sein musikalisches Wirken gerichtet. Uhlmann und Wiebusch als Gitarristen wechseln sich damit ab, sich über Vogels Alter oder Körpergröße lustig zu machen und das Publikum fühlt sich gut unterhalten.

Die „mächtige Kante“ (Uhlmann) trotzt dem Wetter mit bombastischem Sound. „Ich hab das Herz der Dunkelheit sich öffnen sehen,“ singt Kante-Sänger Peter Thiessen. Man wird aber das Gefühl nicht los, die Zuschauer warten nur auf das eine Lied. Nur leichtes Wiegen bei „Die Tiere sind unruhig“ oder „Ich hab“s gesehen“, dann aber kollektives Abgehen bei „Summe der einzelnen Teile“.

Kettcar hat dann eindeutig die größte Fangemeinde im Publikum, die trotz der Nässe lautstark den Opener „Deiche“ mitsingt. Sänger Wiebusch weiß: „Ihr wollt den alten Scheiß, stimmt“s?“ Stimmt! Der kommt dann auch zur Genüge und zum ersten Mal wird die Stimmung wirklich ausgelassen. Bei der Zugabe „Balu“ bahnt sich ironischer Kitsch den Weg durch den Nieselregen und vor der Bühne wird hemmungslos gekuschelt. Wer einen Partner greifbar hat, schnappt sich diesen und säuselt mit: „Manche sagen es wär“ einfach, ich sage es ist heikel. Du bist New York City und ich bin Wanne-Eickel.“

Dann heißt es Auschecken aus dem „Grand Hotel van Cleef“, das man trotz des Wasserschadens doch so lieb gewonnen hat. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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