
© Städtische Musikschule
Kultur: Musik kommt von Mühe
Das Instrumentenkarussell soll Kindern und Eltern helfen, das richtige Instrument zu finden. Für viele ist das ein guter Weg. Manchmal dreht man sich aber auch einfach nur im Kreis
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Wenn das Instrumentenkarussell in der Städtischen Musikschule auf dem Plan steht, sind alle am Rotieren. Für Imke Schack ist die Vorbereitung dafür eine einzige logistische Herausforderung. Sie leitet die elementare Musikpädagogik und führt den bei Eltern und Kindern gleichermaßen beliebten Kurs einmal im Jahr durch. Lehrer und Räume müssen dann organisiert und möglicherweise getauscht werden. Schließlich sollen fast 50 Kinder in einem Jahr in Vierergruppen Unterricht auf sechs verschiedenen Instrumenten erhalten.
Die Lehrer und Kinder fahren sozusagen Karussell durch das ganze Haus in der Jägerstraße.
Wie die städtische führen auch viele private Musikschulen und Grundschulklassen sogenannte Instrumentenkarussells durch, meist für Kinder zwischen sechs und acht Jahren. Die Methode ist beliebt und scheint sich zu bewähren. Die Kinder seien sehr offen für alle Instrumente, sagt Schack. Aber: „Wenn man sie dann am Ende des Kurses danach fragt, welches ihnen am besten gefallen hat, ist es oft das letzte Instrument, das wir vorgestellt haben.“
Wozu also der ganze Aufwand?
Vielen Eltern ist klar, ihr Kind soll ein Instrument spielen – unklar ist aber oft, welches. Dass ein Kind die Geige hält, als sei es das Natürlichste der Welt und dieses Instrument sozusagen schon immer spielen wollte, ist ein Traum. Doch selten Wirklichkeit.
Letztlich sind den Eltern bei der Wahl des Instruments kaum Grenzen gesetzt – am ehesten wohl sind es finanzielle (siehe Interview). Die Industrie biete inzwischen fast alle Instrumente auch in kindgerechter Ausführung an, sagt Heike Lupuleak, Leiterin der Städtischen Musikschule. Selbst Querflöten, Fagotte oder Klarinetten, mit denen bislang eher ältere Kinder beginnen sollten. „Bis auf das Klavier wachsen alle Instrumente mit“, bringt es Lupuleak auf den Punkt.
Im Instrumentenkarussell bietet die Städtische Musikschule aus allen Instrumentenfamilien eine Auswahl an: Streicher, Blechbläser, Zupfinstrument, Klavier oder wie dieses Jahr Cembalo. Und dazu Blockflöte. Jeweils drei Stunden bekommen die Kinder dazu Unterricht, üben im besten Fall zu Hause und erwerben auch noch musikalische Grundkenntnisse wie Notenlesen. In der privaten Musikschule Bertheau und Morgenstern gibt es das Instrumentenkarussell in Kurzform: In sechs Monaten lernen die Kinder die drei Klassiker der Anfängerinstrumente kennen – Gitarre, Klavier, Geige oder Flöte – dafür über einen längeren Zeitraum von jeweils sechs bis acht Wochen.
Die Idee zum Instrumentenkarussell hatte Heike Lupuleak auf einer Weiterbildung aufgegriffen – letztlich vor 15 Jahren aus einer gewissen Not heraus: Denn immer mehr Eltern suchten sie auf und wollten beraten werden. Dann musste sie manchen erklären, dass die Geige vom Opa als Grund für das Kind, Geige zu lernen, nicht ausreicht. Ebenso wenig, wenn Mama oder Papa immer schon mal Gitarre spielen wollten – und das auf das Kind übertragen.
Die Beratung der Eltern ist nach wie vor aber wichtiger Bestandteil des Instrumentenkarussells. Als Abschluss des Kurses führt Imke Schack intensive Gespräche mit den Eltern durch. Sie gibt Hinweise, wie das Kind auf welches Instrument reagiert, welche motorischen Fähigkeiten sie sieht, wie es zuhören kann. Die Eltern würden einen hohen Wert auf die Motivation der Kinder legen, sagt sie. Andreas Bertheau von der Musikschule Bertheau und Morgenstern bestätigt das. „Ich hab schon den Eindruck, dass Eltern sehr viel auf ihre Kinder hören.“
So fragen sie natürlich ihr Kind auch, ob der Unterricht Spaß gemacht hat. „Diese Frage hören wir Lehrer nicht so gern“, sagt Imke Schack. Nicht etwa, weil die Kinder keine Freude an der Musik haben sollen. Vielmehr geht es den Musiklehrern offenbar darum, nicht das Bild eines schnellen Vergnügens zu zeichnen. Ein Instrument zu lernen, ist eben eine langwierige, ernsthafte Angelegenheit.
Die Instrumentenvermittlung zu DDR-Zeiten habe sich zu wenig nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kinder gerichtet, sagt Lupuleak. „Aber diese Beliebigkeit heute macht mir genauso viele Sorgen.“ Sie vermisst auch oft das Durchhaltevermögen bei Kindern und Eltern. Nach vier Wochen ein Instrument aufzugeben, weil einem das Spielen nicht zufällt, sei zu früh.
Denn Musik ist auch Mühe.
Zum Reiten und Ballett kann man die Kinder einfach hinbringen und sie dann wieder abholen. In der Musik ist das anders. Das Üben nach Hause zu tragen, nennt Imke Schack als eines der pädagogischen Ziele des Instrumentenkarussells. Allein üben könne aber ein Sechs- oder Achtjähriger noch nicht. Die Kinder sind auf die Zeit der Eltern angewiesen. Und sie möchten auch diese Zuwendungszeit, so Schack. „Wenn mir von Zeit zu Zeit ein Kind sagt, ,Ich wollte ja üben, aber Mama und Papa hatten keine Zeit’ – das sticht mir ins Herz.“ Ohne Üben aber drehe man sich irgendwann im Kreis.
Für die Musikschulen sind die Instrumentenkarussells ein Erfolg. „Die Quote derjenigen, die das richtige Instrument finden, ist groß“, sagt Andreas Bertheau. Das bestätigen auch Imke Schack und Heike Lupuleak von der Städtischen Musikschule. „Das Instrumentenkarussell motiviert die Kinder“, sagt Lupuleak. Viele von ihnen sehe sie auch Jahre später noch im Haus.
Grit Weirauch
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