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Kultur: Musikalisch auf wackligen Füßen

„Vom Sprengen des Gartens – eine Annäherung an Hanns Eisler“ im T-Werk

„Vom Sprengen des Gartens – eine Annäherung an Hanns Eisler“ im T-Werk Eine bissige Pointe, noch dazu völlig unfreiwillig. Was auch immer Hanns Eisler von dem musikalisch-literarischen Eisler-Abend im T-Werk gehalten hätte – diese eine Stelle hätte ihm sicher gefallen. Da rezitiert der Eisler-Darsteller: „Die Sänger, die das singen, sehe ich noch lange nicht“ und schimpft über eine miserable Sängerin. Ein Schmunzeln geht durch den Zuschauerraum. Schließlich müht sich Juliane Sprengel seit einer geschlagenen halben Stunde mit dünnem Sopran, schriller Höhe und brüchiger Tiefe um Eislers Lieder. Nach der ach so treffenden Textpassage stimmt sie das Lied „Über den Selbstmord“ an und hängt sich an den Spitzentönen auf. Eisler ist eigenwillig. Seine Lieder vermitteln zwischen Massenwirksamkeit und avancierter Moderne. Es gibt viele Sänger, die damit nichts anfangen können. Kein Problem, sie müssen sie ja nicht singen. Wer sich mit den Liedern befasst, braucht nicht nur Stimme, sondern auch Charakter. Beides fehlt der jungen Sopranistin, die sonst Alte Musik und Kirchenmusik interpretiert. Als Liederabend wäre das Programm „Vom Sprengen des Gartens – eine Annäherung an Hanns Eisler“ ein Desaster geworden. Aber es gibt ja Dominik Stein, der die Texte von und über den Komponisten nicht einfach liest. Er spielt Hanns Eisler, den witzigen, widerspruchsvollen Querkopf. Der Schauspieler versetzt sich hinein in diesen Charakter, der seine Empfindsamkeit stets mit einem Mantel aus brillantem Zynismus verhüllte. Im Namen von Hanns Eisler hält er glühende Plädoyers für den freien Umgang mit Texten („Das Tagische wird von mir heiter aufgefasst!“), gegen die Niederungen der Unterhaltungskunst („Unmengen platter Musik“) und die Wünsche von Publikum und Obrigkeit („Ich will keine feschen Märsche schreiben, sondern Ernste Gesänge“). Dominik Stein erweckt Eisler mit trockenem Humor und Schlawinergesicht zum Leben. Mit hochgezogenen Augenbrauen benörgelt er die nervtötende Idylle, „diese ewige Blumenblüherei“ im Hollywood-Exil. Mit herabgezogenen Mundwinkeln erklärt er Eislers problematisches Verhältnis zu seinem Lehrer Arnold Schönberg. Wie er unwirsch grantelt und wettert, Bonmots und Seitenhiebe zielsicher austeilt – das (und nur das) ist das Eintrittsgeld wert. Die beiden Protagonisten sitzen auf Bühneninseln, umgeben von Noten und Manuskripten, die Eislers Hang zur Liderlichkeit, seinen unordentlichen Umgang mit den eigenen Manuskripten widerspiegeln. Heide Schollähn hat die sparsame Ausstattung zu Jens-Uwe Sprengels Inszenierung entworfen. Neuigkeiten über Hanns Eisler sind von der Hommage nicht zu erwarten. Sie zeichnet ein schlichtes Porträt des Wegbegleiters von Bertolt Brecht, der in Wien aufgewachsen und in der Arbeiterbewegung musikalisch groß geworden ist, vor den Nazis in die USA floh und nach dem Krieg in der DDR zur gefeierten, aber immer kritischen Legende aufstieg. Die Zitate aus dem „Verhör vor dem Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit“ dominieren den Abend. Dominik Stein spielt den strengen, ignoranten Beamten und den mal eingeschüchterten, mal wütenden Komponisten. Wirkungsvoll schürt er mit zusammengekniffenen Lippen die Aggressionen in seinen Ein-Personen-Dialogen. Als Eisler-Sänger steht er musikalisch auf wackeligen Füßen, aber neben den artig-gleichförmigen Vorträgen von Juliane Sprengel ist sein Engagement für die Liedtexte doch bemerkenswert. „Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft“, singt er mit blitzender Ironie. Christian Kozik begleitet den Eisler-Abend nicht am Flügel, sondern am Klavier. Differenzierte Klangfarben kann er dem Instrument kaum entlocken. Doch der Pianist ist entschuldigt. Schließlich hat auch Eisler in einer Gastwirtschaft auf einem verstimmten Klavier gespielt.Sonja Lenz Nächste Vorstellung: 23. Mai, 20 Uhr

Sonja Lenz

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