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Kultur: Musikalische Brückenbauer

Das Ensemble Sarband mit „Sacred Bridges“ zu Gast bei der „Vocalise“

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Einen tanzenden Derwisch hat die Friedenskirche bis zum Samstag gewiss noch nie gesehen. Das fünfte Konzert der „Vocalise“, das „Potsdamer Vocalfestival“ unter dem Titel „Sacred Bridges“, ermöglicht dieses exotische Erlebnis. Bei Gesang und Musik aus drei Religionen auf Grundlage von Psalm-Texten strömte ein Hauch von Utopie durch die sehr gut besuchte Kirche. Das Ensemble Sarband, der Neue Kammerchor Potsdam und Solisten der Cammermusik Potsdam setzen eindringliche Zeichen von spiritueller Gemeinsamkeit in der Vielfalt.

Mit seinem türkischen Ensemble Sarband dringt Vladimir Iwanoff seit 27 Jahren tief in die Kulturen von Orient und Okzident ein und fördert dabei erstaunliche Verbindungen zutage. Etwas Geeigneteres für den interkulturellen, besser zwischenmenschlichen Brückenbau als die Psalmen lässt sich schwerlich finden. Sie spiegeln das gesamte Spektrum menschlicher Lebenserfahrungen und verkündigen bis heute das Wort Gottes in fast allen Weltsprachen. Nur ein kleiner Ausschnitt davon, Werke von drei Komponisten aus dem 16. und 17. Jahrhundert, erklingt in der Friedenskirche. Den Beginn macht Salomone Rossi Hebreo, der als Musiker am Hof des Herzogs von Gonzaga arbeitete und gleichzeitig für die Synagoge im Ghetto von Mantua komponierte. Seine mehrstimmigen Motetten besitzen keinen Bezug zur jüdischen Musiktradition, sondern künden von den Errungenschaften der Renaissance. Dagegen reichen die Vertonungen des Genfer Psalters von volksliedhaften, tänzerischen Melodien bis zu Chorälen in Kirchentonarten. Einige der glänzendsten Psalmvertonungen stammen von dem Niederländer Jan Pieterszoon Sweelinck, einem Meister der Vokalpolyphonie.

Als ungewöhnlichster Komponist des Abends erweist sich Ali Ufki alias Wojciech Bobowski, ein polnischer Kirchenmusiker, der am Hof des Sultans Mehmet IV lebte und dort die originalen Melodien des Genfer Psalters in das türkische Musiksystems mit seinen modalen Tonleitern übertrug. Ihm gelang so schon vor 350 Jahren eine Fusion von christlicher und orientalischer Kultur. Was hier gemäß den Gesetzen der Sprache nur linear berichtet werden kann, verschmolz im Konzert zu eigentümlichen Fusionen. Meditative Töne der türkischen Flöte Ney begrüßen die Zuhörer, der Sänger Mustafa Dogan Dikmen psalmodiert in langen Melismen aus Viertel- und Halbtönen im Wechsel mit dem polyphonen Gesang des Neuen Kammerchors, der an diesem Abend in bester Verfassung ist. Die musikalischen Stilmittel verbinden sich souverän miteinander. Selbst die Sprachen, es wird hebräisch, altfranzösisch, deutsch und türkisch gesungen, verlieren etwas von ihren Differenzen. Zur Flöte gesellt sich das Kanun oder Psalter (Celalediddin Bicer) und die türkische Kastenlaute, die mit einem Bogen gestrichen wird (Ahmet Kadri Rizeli). An der Handtrommel schlägt Vladimir Iwanoff beständig den Takt zu den weitschwingenden Linien des Gesangs.

Auf der anderen Seite beleben Violinen, Gambe und Kontrabass den gut ausbalancierten Chorgesang unter der Leitung von Ud Joffe. Nahtlos gehen musikalische Passagen mit kleinen Improvisationen ineinander über, Morgenland und Abendland verbinden sich mit betörenden Klängen. Einmal mehr zeigt die Musik so einen Weg, wie der irdische Irrsinn friedlich und harmonisch überwunden werden könnte.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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