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Kultur: Musikalische Helden

Henna Gardens und Shterion Urumov gaben am Samstagnachmittag auf dem Pfingstberg ein gar heroisches Konzert

Stand:

Ratten sind ganz erstaunliche Viecher. Obwohl kaum einer sie mag, können sie den Atomkrieg überleben, Landminen aufspüren und sogar Tuberkulose anzeigen, wovon in Afrika reger Gebrauch gemacht wird. Hero Rats werden sie deshalb genannt, heldische Ratten. Das Duo „Heroe Rats“ indes kommt aus einer anderen Ecke, von der modernen Songwriter-Musik. Die Texterin und Sängerin Henrike Baumgart („in der Kehle die Seele“) und ihr Partner, der bulgarische Konzertgitarrist Shterion Urumov, haben sich diesen rattischen Namen gegeben, weil sie die intelligenten Schnüffler so toll finden.

Wie in „Heroe Rats“ das kleine „e“ den großen Unterschied macht, so macht es auch das „s“ im Künstlernamen der Sängerin: Gäbe man im Internet „Henna Garden“ ein, käme man auf eine akrobatische Tänzerin, oder tanzende Akrobatin, wer jedoch am Samstagnachmittag auf dem Pfingstberg vor guter Publikumskulisse eigene und adaptierte Lieder vortrug, nannte sich Henna Gardens. Tja, auf den Feinschliff kommt es eben an!

Seit etlichen Jahren schon veranstaltet der Förderverein Pfingstberg unter dem Titel „Kultur in der Natur“ solche Open-Air-Konzerte, um Leute auf die Holde Potsdamer Höhe zu locken. Man verlangt kein Entree, auch verzichten die Künstler auf ihre Gage. Das alles muss nicht „billig“ heißen, wie das brillante Konzert von Heroe Rats bewies, die Veranstalter haben schließlich Geschmack, also „Kultur“!

Henna Gardens selbst ist eine sehr gut ausgebildete Sängerin. Ihre klare und modulationsfreudige Stimme durchdringt mühelos alle Höhen und Tiefen der Notation, stilistisch ist sie anscheinend überall zu Hause, gleich ob Volkslied, American Style, Jazz, Blues oder Chanson. Kongenial der begnadete Musiker Urumov aus Burgas, derzeit Konzertgitarrist und Stipendiat an der UdK Berlin. Gleich zu Beginn legte er ein Solo vom Feinsten vor, irgendwo zwischen bulgarisch-türkischer Folklore und Improvisation angesiedelt.

Die beiden jungen Künstler haben sich viel vorgenommen. Irgendwann einmal möchten sie mit selbstgetexteter und selbstkomponierter Musik deutscher Zunge völlig autark sein. Mit Titeln wie „Auf Los Geht’s Los!“, dem Song vom Telefon oder vom trubeligen Großstadmorgen war man ja schon ganz gut dabei, noch aber sind es zu wenige, auch wenn Henna Gardens derzeit wie verrückt textet und dichtet.

Und so setzte sich ihr aktuelles Songprogramm auch aus, teils sehr schönen und eigenwilligen, Bearbeitungen dienstälterer Kollegen zusammen, wie Robby Williams „The Road To Mandelay“, „I Will“ von den Beatles, hier aber nach Noa, oder die seltsame Mixtur aus Michael Jacksons „Billie Jean“ und dem berühmten „Sweet Dreams“ der Eurythmics. Auffällig in jedem Fall, mit welcher Souveränität jeder adaptierte Titel zu etwas Eigenem gemacht worden ist. Die emotionale Spannweite reichte von seufzender Besinnlichkeit und großstädtischem Selbstbewusstsein bis zum erotischen Lockruf. Musikalisch erlebte man abenteuerliche Oktavensprünge, unerwartete Synkopen, rasante Rhythmik, abrupte Stilwechsel innerhalb einer Strophe und andere Finessen, dem Ohrenpaar ein Fest. Mal wurde beat geschlagen, mal klang es romantisch, mal wurde koloriert, mal jazzig arrangiert, es war eine Suche nach dem ganz Eigenen. Das Publikum suchte indes bei strahlender Sonne schmale Schattenplätze am Lindenheckenrund, das Duo blieb unbeschirmt. Doch was soll’s, Shterion Urumov griff noch in der kurzen Pause zur Gitarre und spielte ganz Wunderbares, selbst komponiert. Spanisch klang es darin, verträumt oder maurisch, folkloristisch oder auch so, wie es die Türken den Bulgaren hinterließen. Ein starkes und schönes Konzert – Super! Gerold Paul

Gerold Paul

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