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Kultur: Musikalischer Leuchtturm

Musikalische Feierstunde für Adele Stolte in der Friedenskirche Sanssouci

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Was Peter Schreier für Dresden, ist Adele Stolte für Potsdam – eine über Jahrzehnte gewachsene kulturelle Institution, ein musikalischer Leuchtturm. Am Freitag feierte sie ihren 75. Geburtstag. Dazu hatte die Stadt gemeinsam mit dem Vocalkreis Potsdam der Jubilarin eine musikalische Feierstunde in der Friedenskirche Sanssouci ausgerichtet, dort, wo sie Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ihre ersten öffentlichen Auftritte hatte. Als Engelsstimme im Bach“schen „Weihnachtsoratorium“ verkündigte sie, im Konfirmationskleid auftretend, „große Freude“. Die hatte seither wohl ein jeder, der sie auf Konzertpodien oder in Kirchen erlebte. Erinnerungsträchtig ihre Mitwirkung in sonntäglichen Kantatenaufführungen, die zu DDR-Zeiten im „Deutschlandsender“ Woche für Woche übertragen wurden. Als Letzte der Stafette Gertrud Birmele und Agnes Giebel bildete sie jenes legendäre sopranistische Dreigestirn am Bach- und sonstigen Barock-Himmel, das über Dezennien die Leipziger Traditionspflege des Thomaskantors mitbestimmte.

Daran und an weitere biografische Details erinnerte Oberbürgermeister Jann Jakobs, der Adele Stoltes innige Zusammenarbeit mit dem Leipziger Thomanerchor hervorhob und auch ihrer zahlreichen musikpädagogischen Aktivitäten gedachte. Wo Jakobs“ Worte die Persönlichkeit Adele Stoltes zu fassen suchte, und es doch nicht schaffte, so vermochte es Johann Sebastian Bach seiner Sachwalterin ein passendes Porträt zu zeichnen – mit der Dorischen Toccata und Fuge BWV 538. Festlich und freudig bewegt, glänzend und strahlend, schwingend und schwebend, von ätherischem Liebreiz erfüllt, dann wieder in sich ruhend: so spielte es Matthias Jacob an der Woehl-Orgel gleichsam als eine Studie der Sangeskunst der Jubilarin aus. Große Bögen wechselten dabei mit verzierungsreichen Melodielinien, und in der Fuge schien sich gleichsam das protestantische Glaubensfundament der „Kirchentante“ zu spiegeln, wie die international renommierte Oratoriensängerin von DDR-Kulturoberen (die ihr so manches ausländische Gastspielspiel unter fadenscheinigen Gründen untersagten) abschätzig genannt wurde. Doch die Stolte blieb sich und ihrer Kunst treu, allen Widrigkeiten in atheistischer Umgebung trotzend. Davon mochte Buxtehudes Toccata d-Moll ein wenig erzählen, als es brausend und besinnlich, in lieblichen und schnarrenden, scharfen und zungenstimmenweichen Registern den Kirchenraum erfüllte.

Laudator Klaus Büstrin pries der Jubilarin „überzeugende Haltung“: körperlich wie innerlich. Ihre Stimme habe bei aller Klarheit auch immer etwas von der Farbe und Leuchtkraft eines Rembrandtschen Gemäldes besessen, ob es sich nun um die Barockmeister bis zu Benjamin Britten oder dem vor wenigen Tagen verstorbenen Kurt Schwaen handelte. Schön, dass in der Rede auch Ehemann Wolfram Iwer erwähnt wurde, der als Cembalist/Organist mit seiner Gattin besonders die kleine Form in Gottesdiensten oder musikalischen Vespern pflegte.

Bewegt dankte die Geehrte für diesen Tagesausklang, an dem sich der Vocalkreis mit dem A-cappella-Gesang von Motetten evangelischer (Johann Christoph Altnikol) und katholischer Provenienz (Duruflé, Capillas) beteiligte. Glanzvoll war es nicht immer. Besonders in Altnikols „Befiehl du deine Wege“ tönten die Soprane höhenangestrengt und unsauber. In Johannes Brahms“ „Marienliedern“ op. 22 klang es schließlich warm und dynamisch ausgewogen. All jene, die mit Adele Stolte groß geworden waren und sich von ihrer Kunst verzaubern ließen, dankten der Jubilarin anschließend bei einem Sektempfang persönlich.

Peter Buske

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