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Kultur: Musikalisches Flanieren

Jazz in the garden: Ein ganz besonderer Parkspaziergang im Neuen Garten

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Zugegeben, an der Muschelgrotte war es am schönsten. Ein Mobilfunkunternehmen hatte zahlreiche Liegestühle bereitgestellt, die lose gruppiert um kleine rote Lampen auf den Rasen gestellt waren. Der Abendhimmel über der Havel ein dezentes Farbenspiel, aufgebrochen nur durch ein paar kleine Wolken. Ein leichter Wind hielt die Mücken auf Abstand und trug die Improvisationen des Saxophonisten Wladimir Karparow und des Gitarristen Sergej Wagner herüber, die sich in ein paar Metern Entfernung dem Jazz hingaben. Hier hätte man den ganzen Abend verbringen können, und sehr viel verpasst.

Zum Jazz in the garden hatten die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci am Samstag eingeladen. Das exklusive Konzertereignis im Neuen Garten, so stand es im Programm. Der Jazz in seiner Vielfalt von der Bigband bis zum Solopianisten, dazu ein ;stimmungsvoll illuminierter Park.

Diese Neuheit im Festspielprogramm war schnell ausverkauft, erinnert das Konzept doch stark in die beliebte Schlössernacht. Doch von einer derartigen Massenveranstaltung war Jazz in the garden meilenweit entfernt, denn nur 2000 Karten standen zum Verkauf. Und wenn sich 2000 Gäste im Neuen Garten verteilen, wirkt es ganz schnell, als ob es nur 200 wären. Den Neuen Garten als Refugium erleben, ohne dabei in einem Menschenmeer unterzugehen, war das Anliegen dieser Jazznacht.

Zwei Hauptbühnen am Marmorpalais und am Schloss Cecilienhof daneben zehn kleinere Bühnen verstreut im Park. Den Weg dahin wiesen Lampen am Wegesrand. Schlichtheit und Zurückhaltung war bei diesen Lichtinstallationen das Motto. An den Wegen helle Stableuchten, dazwischen ab und an ein paar Scheinwerfer, die Bäume beleuchteten oder ihr Licht im dichten Laubwerk versteckten. Und immer wieder die kleinenroten, manchmal auch weißen Lampen, die auf Wiesen gestreut, wie Pilze wirkten.

Aber auch manches Museumsstück wurde ausgegraben. So las Klaus Büstrin im Brunnenhof des Schlosses Cecilienhof im Ohrensessel unter einem Relikt von einer Stehlampe „Die Lammkeule“ von Roald Dahl, dem Meister des schwarzen britischen Humors. Vor der Bühne am Marmorpalais standen wie eingeschlichen ein paar, nicht immer geschmackvolle Stehlampen älteren Datums zwischen den Stühlen. Gerade diese kleinen Details, diese Unaufgeregtheit machte den Reiz von Jazz in the garden aus.

Wer an diesem Abend in den Neuen Garten trat, war fast schon gezwungen zu Ruhe und Gelassenheit. Das Gehen über die Wege war ein Flanieren, bei dem man sich davon leiten lassen konnte, was an musikalischen Fetzen von irgendwoher herübergeweht kam. Saxophone wurden auf Flößen auf dem Heiligen See gespielt, Dietrich Wöhrlin trommelte feine Geschichten auf dem Schlagzeug am Elefanten-Baum in der Nähe des Ägyptischen Portals, das an eine Pyramide im Miniformat erinnert.

Im Rondell am Marmorpalais gab Christian von der Golz auf dem Klavier dem Blues eine Chance. Und wer nur ein paar Schritte den unbeleuchteten Wegen folgte, war schnell allein und konnte Stille genießen.

Zum Finale The BIG Chris Barber Band am SchlossCecilienhof und auf der Bühne am Marmorpalais Kathleen Willison mit Tim Whitehead am Saxophon und Gwilym Simcock am Klavier. Während am Schloss Cecilienhof der Swing ausgelassen in den neuen Tag taumelte, sang am Marmorpalais Kathleen Willison mit weicher Stimme und noch weicherem Vibrato Jazzballaden.

Auf dem Heimweg dann, am Grünen Haus noch ein Blick auf den Heiligen See. Was von der Musik herüberweht, verfängt sich in den Bäumen, die Lichter auf den Wiesen wirken, als ob sie in der Nacht hängen. So einfach kann Schön sein.

Dirk Becker

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