Kultur: Musiktherapeutische und sonstige Lektionen
Stunde der Musik im Nikolaisaal: Bachs Goldberg
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Seit acht Jahren ist Clemens Goldberg mit seinen „Goldberg-Variationen“ auf Sendung beim RBB-Kulturradio. Seit mittlerweile fünf Jahren moderiert der Cellospieler und Musikwissenschaftler auch die „Klassik am Sonntag“-Konzerte des Nikolaisaals.
Bei einer Foyer-„Stunde der Musik“ bot sich die Gelegenheit, mit dem reizvollen Programm „Bachs Goldberg“ des Minijubiläums zu gedenken. Die Goldberg-Fans und sonstigen Musikliebhaber waren in Scharen gekommen, um außer dem munteren Plauderer nun auch den ausübenden Musiker kennen lernen zu können.
Reizvoll der Gedanke, ob Clemens G. etwa Nachfahre jenes Johann Gottlieb Goldberg ( 1727-1756) sein könnte, der als phänomenal begabter Cembalist beim Reichsgrafen Hermann Carl Freiherr von Keyserlingk als, modern ausgedrückt, tastatierender Musiktherapeut tätig war. Aufklärung darüber erfuhr man leider nicht. Dafür um so mehr über jenen russischen Gesandten am kurfürstlich-sächsischen Hof in Dresden, der seinen Cembalisten zwischen 1740/42 zum Unterricht bei Johann Sebastian Bach nach Leipzig schickte. Da der Reichsgraf an Agrypnie litt, bestellte er beim Thomaskantor „einige Clavierstücke für seinen Goldberg, die so sanften und etwas muntern Charakters wären, daß er dadurch in schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte“, wie Johann Niklaus Forkel überlieferte. Goldberg musste sie ihm immer wieder vorspielen: allerdings nicht komplett, sondern Stück um Stück.
Was Bach seinem Goldberg als „Aria mit dreißig Veränderungen“ (BWV 988) in die Finger schrieb, stellte dessen tastatierendem Können ein hervorragendes Zeugnis aus. Gestochen wurden die Noten als der „Clavier-Übung vierter Teil“, besser bekannt als „Goldberg-Variationen“ und aufzuführen auf dem „Clavicimbal mit zwei Manualen“. Auf einem solchen Instrument, wobei er das erste Manual mit dem zweiten gekoppelt hatte, spielte Gösta Funck u. a. die Variation 16, eine Ouvertüre im französischen Stil: majestätisch, reich punktiert. Ansonsten blieben solche tempoflotten solistischen Ausflüge eher rar, da die Variationen in einer Fassung für zwei Violinen (Kathrein Allenberg, Mark Schimmelmann) und Basso continuo (mit Clemens Goldberg am Barockcello) aufgeführt wurden. Allerdings nur zu einem reichlichen Drittel, damit auch noch originale Goldberg-Stücke erklingen konnten.
Diese Triosonaten in C-Dur, a-Moll und B-Dur leugnen mit ihren kontrapunktischen Kunstgriffen nicht Bachs Vorbild, wenngleich sich in manchen Sätzen (Allegro assai der a-Moll-Sonate) laut Clemens Goldberg „echter Sturm und Drang“ manifestiere. Auch sonst wusste der Moderator mit einprägsamen Worten die Meriten beider Komponisten in Bezug und Distanz zu bringen. Manches musikalische Detail spielte er vor, auf das man es später wieder erkennen möge. Dabei hörte sich das gemeinsame Musizieren an, als spielte eine Liebhabervereinigung auf gutem, aber nicht ausgezeichnetem Niveau. Man produzierte weitgehend spröde und glanzlose, in spielerisch-akademischer Gelehrsamkeit daherkommende (Bach-)Klänge, die der klanglichen Wärme entbehrten, dafür die Ratio in Wallung brachten.
Bei den Goldbergschen Piecen dagegen blieben kaum Wünsche nach sauberer Intonation offen. Es schien, als ginge hierbei den Instrumentalisten die Musik spür- und hörbar durch den Körper, als fänden sie in den stimmungskontrastreicheren und ausdrucksvolleren Sonatensätzen weitaus bessere Möglichkeiten, ihr gestalterisches Können unter Beweis zu stellen. Obsiegte Bachs Goldberg gegenüber Goldbergs Bach? Der anhaltende Beifall dankte allen Beteiligten.
Peter Buske
Peter Buske
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