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Kultur: Mut zum Gefühl und Liebe zum Detail

Caroline Link war in der Filmhochschule zu Gast

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Caroline Link war in der Filmhochschule zu Gast Von Matthias Hassenpflug Es passiere ja eigentlich nicht viel in ihren Filmen, bemerkt Caroline Link beim Filmgespräch vor Studenten der Babelsberger Filmhochschule „Konrad Wolf“, die Geschichte von „Nirgendwo in Afrika“ sei im Grunde in drei Sätzen erzählt. Eine jüdische Familie, Vater, Mutter, Kind, flüchtet 1938 vor den Nazis nach Kenia. Sie führt dort mit wenig Erfolg zwei Farmen. Nach dem Krieg zieht man zurück nach Deutschland. Das ist nicht unbedingt eine Handlung, die Produzenten bewegt, Geld zu investieren, sagt Link lächelnd, die für dieses Werkstattgespräch eigens aus München angereist kam. Aber dennoch: ihr erst dritter Spielfilm nach dem hochgelobten Debüt 1995 mit „Jenseits der Stille“ und dem darauf folgenden „Pünktchen und Anton“ erhielt vor zwei Jahren die höchstmögliche Weihung, den Academy Award den „Oscar“ für den besten nicht-englischsprachigen Film. Was nun den Erfolg ausmacht, vielfach national und international preisgekrönt mit 1,6 Millionen Kinozuschauern? Die 1964 geborene Filmemacherin nahm sich nach einer kurzen Drehbuchlesung und der Aufführung ihres zweistündigen Erfolgsfilms, auch noch viel Zeit, den Studenten ihre Film-Philosophie und Arbeitsweise zu erklären. Natürlich besitzt dieser großartige Film, dem es gelingt, gleichzeitig das Toben der Schreckensherrschaft am anderen Ende der Welt genauso intensiv zu vermitteln wie die dazu eigentlich völlig im Kontrast stehende Kultur und Lebensweise des Dorfes in Afrika, auch eine fesselnde Handlung. Caroline Link, die das Drehbuch selbst verfasste, hat dazu die unter dem gleichnamigen Titel erschienene Lebensgeschichte von Stefanie Zweig als Grundlage genommen. „Macht was ihr wollt“, war die tolerante Reaktion der heute über siebzigjährigen Autorin, berichtet Link, die neben der Erzählerin, der Tochter Regina, daraus die Figur der Mutter Jettel als Hauptperson entwickelte. Und Jettel ist es auch, die eine besondere innere Handlung, eine Entwicklung durchmacht, das, was Caroline Link in ihren Filmen eigentlich interessiert: die Veränderung von Charakteren, inneres Kämpfen und Wachsen. Völlig sympathisch ist diese Jettel zunächst nicht. Auf die Schwarzen blickt sie, die verfolgte Jüdin, zunächst mit Arroganz herab. Aus Afrika und den ärmlichen Verhältnissen will sie möglichst bald wieder weg. In der Schlußszene hat Link die Versöhnung der Jettel mit Afrika einzigartig festgehalten. Aus dem Zugfenster noch wird sie einer Afrikanerin dankbar die Hände streicheln und mit ihr Kisuhaheli sprechen. „Ich versuche immer, einen persönlichen Aspekt mit in den Film hinein zu bringen“, erklärt Caroline Link, und persönlich bedeutet hier, die sehr einfühlsame Beschreibung einer „Beziehung“. „Was ist mit einer Liebe, die zwar unter den gesellschaftlichen Konventionen in Deutschland gut funktionierte, wenn diese, wie im afrikanischen Busch, nicht mehr gelten? Was verbindet uns dann noch?“, skizziert Link ihre Fragestellung. Jettel und Walter scheinen zunächst getrennt voneinander zu sein. Jettels Liebe wird – auch durch andere Männer – auf die Probe gestellt. „Ein total spannender Aspekt“ für die Regisseurin, „wenn man plötzlich völlig frei entscheiden könnte“. Achtmal war Caroline Link vor dem eigentlichen Dreh in Afrika und hat dort auch große Teile des Buchs geschrieben. Voller Bewunderung spricht sie über die Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Dorf. Ein ethnologischer Berater wäre zur Vorbereitung „mit Isomatte“ dort eingezogen, um vorab den Bewohnern zu erklären, was ein Kinofilm überhaupt sei, was zu tun wäre. Herausgekommen sind „fast dokumentarisch wirkende Szenen“, wie der Moderator, HFF-Dozent Carsten Schneider, anerkennend meint. Mutter und Tochter wohnen einer nächtlichen Initiationszeremonie bei, in festlichem Schmuck wird ein Büffel geopfert und um ein Feuer getanzt. Nach der Oscar-Verleihung, so Link, wäre der Produzent, ein Ethnologe, mit Projektor und Leinwand noch einmal in das Dorf gefahren, um unter viel Gelächter den fertige Film zu zeigen. Viele Tipps verriet Link, die gerade an einem neuen Drehbuch mit dem Titel „Aftermath“ schreibt, den Studenten. „Irgendeiner hat mir im Studium gesagt, man darf die Dinge, die kleinen Sachen bei Drehbüchern nicht vergessen“. So ist Links Film voll dieser magischen Gegenstände, die eine eigene Geschichte erzählen, so, wie der rote Pullover des Mädchens, der mit wächst und bei wichtigen Szenen immer dabei ist. „Ich freue mich immer“, so Link, „in Filmen die kleinen Details zu entdecken“. Der gelegentlich zu hörende Kitsch-Vorwurf, ihre Filme seien zu sentimental, kann Caroline Link nicht treffen. „Alles, was ich liebe, liegt hier in diesem Bett“, sagt Walter zu dem Idyll von Kind und Frau neben sich. „Ich würde meinem Kind und meinem Mann das so sagen - so bin ich“. Caroline Link, eine Regisseurin mit Mut zum Gefühl, dem Verständnis für das Innere und der Liebe zum Detail.

Matthias Hassenpflug

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