Kultur: Mut zum Risiko
Schlosskonzert mit der Kammerakademie
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Oft zeigt sich wahre Qualität erst im Kleinen. So geschah es auch beim Konzert der Kammerakademie Potsdam am Sonntagnachmittag im gut besuchten Schlosstheater des Neuen Palais. Das auf seinen Instrumental-Kern aus Violinen, Bratschen, Celli und Kontrabass reduzierte Ensemble brachte seine spezifischen Vorzüge brillant zur Geltung. Beim Fokus auf das Wesentliche konnte sich der über die Jahre lupenrein geschliffene Klang in voller Blüte entfalten. Nicht zuletzt die erlesene Programmauswahl trug dazu bei.
Der spritzige Anfang mit dem Presto aus Josef Haydns Divertimento in C-Dur gab den Grundton an. Luftig-leichte, präzise musikantische Höhenflüge, elegisch von leisen Seufzern unterbrochen. Beim Haydn stand dafür das zentrale Adagio, wo die Gruppe der gedämpften ersten Geigen eine feine melancholische Melodie sang, nur begleitet vom markanten Zupfen der übrigen Streicher. Das zweite Menuett wartete überdies mit einem interessanten Trio in dunklem Moll auf, in dem Haydns theatralische Leidenschaften ins Rampenlicht gesetzt wurden.
Auch wenn Johann Sebastian Bachs Violinkonzert a-Moll BW 1041 hier zu Lande nicht gerade selten zu hören ist, so gebührt Yuki Kasais beherzte Interpretation sicher ein Platz in der S-Klasse. Die Konzertmeisterin der Kammerakademie nahm mit leidenschaftlichem Spiel, kristallklarem Ton und eleganten Phrasierungen für sich ein. Bebende, nie nachlassende Schauer der Bassgruppe, silbernes Rieseln vom Cembalo (Rita Hauck am neuen Instrument der Schlösser-Stiftung) grundierten das bittersüße Melos der Solistin im Andante. Mit einem Werk von Malcolm Arnold kam auch das 20. Jahrhundert zu seinem Recht. Das Doppelkonzert des britischen Komponisten, der unter anderem für rund 140 Filme die Musik komponiert hat, entstand für Yehudi Menuhin und einen seiner Schüler. Im Schlosstheater wetteifern Yuki Kasai und Peter Rainer mit- und gegeneinander beim hochkonzentrierten Spiel. Ein bemerkenswertes Konzert ist das allemal, wenn auch etwas zu sehr in äußerlicher Brillanz, dekorativen Effekten und exzentrischem Ohrenkitzeln befangen.
Mut zum Risiko bewies die Kammerakademie mit dem letzten Programmpunkt in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist Ludwig van Beethovens Streichquartett f-Moll op. 95 wahrlich kein Schmeichelstück, sondern ein widerborstiger Brocken, zum zweiten wurde es in voller Streicher-Besetzung aufgeführt. Dass dies nur mit dem vollen Einsatz aller funktioniert, zeigt sich schon daran, dass die rund zwanzig Musiker nun im Stehen spielen. Verstärkt durch zwei Kontrabässe können sich die Beethovenschen Vehemenzen kompromisslos mit aller Wucht und Schärfe entladen. Tatsächlich spielen die einzelnen Stimmgruppen wie aus einem Guss und beweisen so die außerordentlich hohe Klangkultur des Gesamtensembles. Verdienter Applaus für eine besondere Soiree im Schlosstheater mit der bravourösen Kammerakademie Potsdam. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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