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Hosen runter. Halbnackte Männer beim Flachwitz-Tennis reichen für guten Slapstick kaum aus. Ein bisschen mehr Absurdität hätte ganz gutgetan.

© HL Böhme

Kultur: Mut zur Peinlichkeit

Die „Ladies Night“ im Hans Otto Theater ist eine derb klamaukige Inszenierung. Für ein Sommertheater geht sie gerade noch so in Ordnung

Stand:

Eigentlich scheint es ganz einfach zu sein: Auf der einen Seite kann man mit einem Ensemble so richtig ernstes Theater machen, das tiefe Botschaften vermittelt und einem zum Nachdenken anregt – oder man macht eben Sommertheater, das einfach nur unterhalten will.

„Ladies Night“, das auf dem Stück der neuseeländischen Autoren Stephen Sinclair und Antony McCarten basiert und am vergangenen Freitag im Gasometer des Hans Otto Theaters Premiere hatte, ist jedenfalls nicht dazu geeignet, Botschaften zu vermitteln. Im Gegenteil: Hier wird das Niveau ausgeschaltet zugunsten eines Slapsticks, der seinesgleichen sucht. Das muss man mögen – und man muss auch ein bisschen auf derb klamaukige Unterhaltung stehen, um mit diesem Blödsinn klarzukommen.

Dabei ist die Bühne (Jan Steigert) im Gasometer wirklich heimelig, erst recht in beginnender Dämmerung. Viel braucht es auf dieser nicht: eine stählerne Wand, die zu einer Fabrik gehören könnte, ein paar Stühle – den Rest erledigen zuverlässig die Schauspieler.

Die Handlung ist schnell erzählt: Den Protagonisten dieses Klamauks, Dave (Eddie Irle), Barry (René Schwittay) und Norman (Holger Bülow), geht es ziemlich schlecht. Drei arbeitslose Proleten, die vom Leben geprüft werden: kein Job, kein Geld, keine Frau. Und dann auch noch das: Die „Chippendales“ kommen in die Stadt, ziehen sich aus und erobern damit die Frauen, die den Helden verwehrt bleiben, einfach mal nebenbei im Sturm. Da sieht die Männlichkeit natürlich Rot – zumal den Burschen nicht erlaubt wird, das Etablissement, in dem sich die Angebeteten befinden, zu betreten: „Das ist so lächerlich!“, tobt Dave. „Lächerlich! Lächerlich!“ – innerhalb von zwei Minuten gelingt es dem Stück, damit einen Running Gag zu etablieren. Nun ist der Ausschluss aus einer Gesellschaft ja ein erzmaskulinäres Problem, verantwortlich für die Ablehnung alles Andersartigen. Die Lösung? „Wir werden Stripper!“ Das sei wie Cirque du Soleil, nur mit Ausziehen.

Ab jetzt werden sämtliche prollige Phrasen durchgekaut, die jemals erfunden wurden: „Dick und Doof hüpfen über die Bühne und zeigen allen ihren Schniedelwutz“, heißt es im Stück – ein geradezu stellvertretendes Zitat. Das ist eher britischer als neuseeländischer Slapstick, aber wer in angelsächsischer Tradition à la Monty Python oder Rik Mayall das Unerwartete erwartet, wird herb enttäuscht. Sobald Holger Bülow als selbstmordgefährdeter Debiler Norman, ein näselndes Mamasöhnchen, das sich mit einem tuckernden Zweitaktmotor, einem Schlauch und einer Gasmaske vergiften will, von den beiden anderen Vollspacken in den Kreis aufgenommen wird, explodiert das Fremdschämpotenzial geradezu: Wir sehen zwei Prolls, die einen Loser integrieren – mehr aber auch nicht. Würde sich hier eine liebevolle Charakterstudie anbieten, verpufft die Idee in der Inszenierung von Andreas Rehschuh leider schnell in dümmlichem Machogehabe. Klar, das macht schon Laune, wenn man Irle in grüner Jogginghose, Kunstlederjacke und mit einer Popperlocke sieht – mit diesem Stil würde er in einem Mittelmärker Techno-Schuppen kaum auffallen. Aber viel mehr passiert nicht: Die permanente Präsenz der Unbeholfenheit ist leider viel zu schnell ausgereizt. Und diese Hilflosigkeit kommt an sich schon einem Exhibitionismus gleich, auch wenn die Hüllen erst am Schluss des Stückes fallen.

Für gut portioniertes Kichern reicht es in diesem Stück allemal, das herzhafte Lachen, das Großbritannien-Spezialist Rehschuh zuletzt in seinen Inszenierungen von „Außer Kontrolle“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“ federleicht ausbrechen ließ, mochte sich diesmal jedoch nicht einstellen. Wo hat sich der Witz denn versteckt? Lag es an der deutlich unterkühlten Atmosphäre im viel zu kalten Gasometer, das sich eigentlich auf Sommerlaune eingestellt hatte und nun aber Glühwein ausschenken musste? Auch wenn das Niveau windelweich geprügelt am Boden lag, fehlte der Inszenierung letztlich der Mut, befreit loszuschlagen.

Allerdings: Langeweile kam wirklich nicht auf, Gott sei Dank. Dafür sind die Schauspieler einfach zu gut, mit Schmackes werfen sie sich in die Rollen und überspielen souverän, dass hier einfach nur Blödsinn geliefert wird. Der Spaß macht es eben wett, dass sich hier auf das Niveau des Privatfernsehens begeben wird: Am Ende sieht man aber doch nur Männer mit der Hand im Schritt, die Flachwitz-Tennis spielen.

Nun ja, für ein Sommertheater geht das Stück gerade so, wenn man sich auf Slapstick einlassen möchte und keine allzu großen Erwartungen hat. Ein bisschen mehr Mut zur Absurdität hätte dem Stück jedoch ganz gutgetan, so verebbt das Komödiantische leider zu schnell im seichten Wasser. Immerhin reißt die zweite Hälfte der Inszenierung das heraus, was im ersten, doch sehr vor sich hindümpelnden Teil verschlafen wurde: das anarchische Potenzial herauszukitzeln. Das haben wir schon mal besser gesehen.

„Ladies Night“ im Gasometer des Hans Otto Theaters, nächste Vorstellungen am Freitag, 27. Juni, um 21 Uhr und am Sonntag, 29. Juni, um 18 Uhr.

Oliver Dietrich

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