zum Hauptinhalt
Weckt das Huhn in sich. Die Kabarettistin Andrea Meissner.

©  promo

Kultur: Mutti und ihre Kinderchen

Andrea Meissner mit ihrem neuen Programm „Skandal – Frau Meissner oder Neues aus der Gerüchteküche“ im Kabarett Obelisk

Stand:

„Ein Gerücht ist immer größer als die Wahrheit“ heißt das erste Gebot der Gerüchtsvollzieherin Andrea Meissner. Das Größte in der Premiere ihres neuen Programms am Wochenende im Kabarett Obelisk war jedoch die pinke Schleife, die Frau Meissner zu ihrem ebenso schrill-pinken Kleidchen über die Bühne trug. Dagegen nahmen sich die Gerüchtchen verschwindend klein aus. Selbst bei einem möglichen Stromausfall im Kanzleramt denkt Frau Meissner nur an Schweinereien. Es ging verbal zur Sache, möglichst tief unter die Gürtellinie. Hoden, Schwänze, Gürtelrosen und fette Bäuche wurden zur Zielscheibe von Frau Meissners Gesundheitsskandälchen. An ein bisschen Dioxin in den Eiern kommt man da auch nicht vorbei. Aber über Mösen hörte man an diesem Abend weniger. Nur der Eisprung bekam einen eigenen Calypso. Der Eisprung als Staatsfeiertag, ja, das wäre dann doch was. In den vorderen Reihen helles Kichern konstant. Ein Heidenspaß für alle, die an diesem Abend gekommen waren, um sich zu amüsieren. Da machte es auch nichts, dass der Gehirn-Witz „Ein Gehirnschlag bei dir wäre ja ein Schlag ins Leere“ in drei bis vier Variationen tüchtig wiederholt wurde.

Zu politischen Höhepunkten gelangte Frau Meissner zweimal mit Westerwelle und mit Guttenberg, dazu ein bisschen Hartz-IV und die Gesundheitsreform als beste legale Sterbehilfe. Daraus hätte sich ein stärkeres Süppchen brauen lassen. Stattdessen wurden jedoch allerlei unappetitliche Beilagen über Frau Meissners Ehemann Rudi aufgetischt. Der Echte nahm’s mit Humor hinten im Publikum. Wirklich böse sein kann man einer Frau, die mit einem Huhn auf dem Kopf über die Bühne rennt, wohl auch nicht. Einzig die Nummer mit der Vogelgrippe schmeckte doch etwas aufgewärmt. Dafür bezauberte Andrea Meissner mindestens in jeder zweite Gesangseinlage. In manche dieser Songs kam das komische Können von Frau Meissner ganz zum Vorschein, in anderen Nummern versteckte es sich hinter Albernheiten. Mitgesungen wurde kräftig und mit Begeisterung, die Melodien waren ja bekannt und das Publikum unterstütze Mutti Meissner fröhlich in den Refrains. „Ach das habt ihr aber fein gemacht“ kam prompt das Lob und drei Riesenschachteln Pralinen als Belohnung. Doch nach dem Zucker wieder Saures.

Wehe dem, der am Samstagabend bei Frau Meissner in der ersten Reihe saß und Mario hieß. Nach dem es mit einem großen Glas Eierlikör so gut angefangen hatte, musste er für alles Übel der Welt herhalten: Fettleibigkeit, Beklopptheit, Impotenz, Hirnlosigkeit, Wollust. Dem Publikum gefiel es und Mario tanzte mit rotem Kopf brav ein Tänzchen mit Frau Meissner. Dafür zeigte sich die Mutti ihren „Kinderchen“ aber auch großzügig. Neben zahllosen Beschimpfungen regnete es im Laufe des Abends Bildzeitungen und allerlei Buntes. Diese Vorstellung muss Mutti Meissner ja mehr gekostet haben als sie ihr einbringt. Aber Mutti schmiss und die Kinderchen johlten zufrieden.

Rudis Telefonanrufe mitten im Programm dagegen überzeugten nicht so ganz. Ein bisschen zu viel „Spatzl, Spatzl, Spatzl“ hat die Pointe doch verjagt, die sonst hätte sitzen können. Zu viel Anlauf für zu kleine Sprünge. Ja, hier sind wir streng im Urteil. Aber es ist ja zu ihrem Besten, Frau Meissner. Auch wenn man schnell spricht, müssen die Pointen sitzen. Wer will mit ollen Kamellen noch eine Premiere feiern, wenn so viel Frisches in der Welt passiert. Weniger Schwächen, mehr Stärken zeigen, Frau Meissner! Aber es war ja mit „Skandal ... Frau Meissner“ am Samstagabend auch das erste Mal. Die Stimmung war so gut, dass die Geschmacksverstärker schnell verziehen sind. Zum Glück leben Gerüchte und Skandale bekanntlich von einer gewissen Kurzlebigkeit. Unvergessen jedoch die Seifenblasenmaschine nach der Pause. Und dieses pinke Kleidchen, wie gesagt, ganz entzückend. Alles in allem fein gemacht. Undine Zimmer

Wieder am heutigen Dienstag und morgigen Mittwochabend im Kabarett Obelisk, Charlottenstrasse 31, jeweils um 19.30 Uhr, Reservierungen unter Tel.: (0331) 29 10 69

, ine Zimmer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })