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Kultur: Nach innen und außen

Maria Seidemanns „Wortfenster“ im Pomonatempel auf dem Pfingstberg

Stand:

Der Förderverein Pfingstberg hat sich als Veranstalter stets den genreübergreifenden Gattungen der Kunst verschrieben. Architektur und Landschaft, Musik und Natur waren oder sind die Renner für das bergesteigende Publikum zum Gipfel hinauf. In diesem Jahr kam ein neuer Wurf hinzu, die Liaison oder vielleicht auch Symbiose von Schrift und Bild in vier Stationen. Zum Finale zeigt nun die Potsdamer Autorin Maria Seidemann im Pomonatempel ihre Art, das Wort mit dem Bild, oder umgekehrt das Bild mit dem eigenen Text, zu verbinden. „Wortfenster“ heißt die kleine Ausstellung. Laudator Andreas Hüneke vom Potsdamer Kunstverein bezog sich bei der Vernissage vor den Treppen des Tempels auf den gotischen Ausdruck für „Fenster“: Ist „Augentor“ nicht viel schöner?

Augenfällig ist dieser seltsame Hang der schreibenden Zunft zum „Wort-Bild“ oder „Wort-Gebilde“ schon. Als würde man dem weißen Papier nicht vertrauen, werden Texte gleichsam noch einmal visualisiert, was einem Chinesen nicht einfallen würde: Hier ist die Schrift immer Schrift geblieben und trotzdem ein Bild. Der Moderne gefiel solches doppelt Gemoppelte immer, dem Publikum weniger. Es ist ja auch anstrengend, die so schön ins Zweidimensionale gebrachten Worte – Fraktur, Welle, Druck oder Handschrift – in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, dazu wird der Rezipient ausdrücklich gebeten. Vorderhand geht es auch gar nicht darum, wie schön oder trefflich Maria Seidemann ihre Texte „verbildlichte“, sondern was solcher Aufwand bewirkt. Addieren sich Worte und Bild, minimieren sie sich gegenseitig oder schaffen sie gar ein „höheres Drittes“? Ja, hier tun sie es.

Die Autorin und Künstlerin hat sich in verschiedenen Techniken Fenster und Rahmungen erschaffen, darin sie ihre Texte setzte. Fenster für Lyrik als Einblick und Ausguck. Grafische Arbeit, Drucke (alle 2007 entstanden) in verschiedenen Tönungen, die ob des unbeleuchteten Tempels nicht immer zur Geltung kamen, teils gar nicht lesbar waren. „Das Haus riß die Augen auf und schrie ...“ hieß es bei „Sonnenwende“ mit silbernem Stift, ein Fenster mit Kreuz, im Hintergrund collagiert der Garten. Kräftige Majuskeln markieren den Mehrteiler „A-B-E-R“, auch in mehrere Farben gesetzt und auf Vergänglichkeit und Wiedergeburt verweisend. Überhaupt sind die Titel oft recht deutlich: Vergissmeinnicht, Zinnober oder nur Dunkelgrün. Mal ist die Schrift ins Fenestrale gebettet, mal gibt sie selbst den Rahmen, was manchmal etwas beschwerlich ist, wer machte schon einen Kopfstand, um die untere Zeile zu lesen?

Die Texte sind Fenster nach innen: Bei „Kinderspiel“ ist der Untergrund mit bedrohlichen Vokabeln wie „Chemotherapie, Rollstuhl, Phantomschmerz“ besetzt, die Sonne blutet. „Fern von allem, was ich liebe“ steht auf dem Blatt „mare solitudinis“, „Angst vor dem Winteranfang“ bei „Wendekreis“, dessen Grundierung ein marmorierendes Grau ist – Fenster nach außen sind die Grafiken, auch nicht gerade heiter. Wer darin lesen kann, wer die Sprache der Farben kennt, weiß wohl Bescheid. Beides, Innen und Außen, kommt in diesen Bildern düster zusammen. Maria Seidemann braucht diese Fenster „am Ende der Nacht“: „Ich pflege die Rose, sammle die Äpfel auf, lasse den Vogel frei, leere den Kelch ...“ Gerold Paul

Im September Sa. und So. 15 bis 18 Uhr, Oktober Sa. und So. 12 - 18 Uhr

Gerold Paul

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