Potsdamer Kammerorchester: Nachhallarm
Das neue Kammerorchester in der Schinkelhalle
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Die Forderung von Stadtverwaltung und Vereinen, der Kulturstandort Schiffbauergasse möge belebter als bisher werden, ist nach wie vor nicht eingelöst. Es wurde bislang viel geredet, gewünscht und geschrieben, getan hat sich herzlich wenig. Wie neues Publikum für dieses Areal gewonnen werden kann?
Zur Beantwortung dieser Frage gab das Neue Kammerorchester Potsdam einen Impuls. Es verlegte die Saisoneröffnung seiner Sinfoniekonzertreihe am Donnerstag in die spartanisch bestuhlte, farbig ausgeleuchtete Schinkelhalle. Knapp 200 Besucher folgten der wortwörtlich genommenen Orchester-Bekundung, in der kommenden Saison „Unterwegs“ in Potsdam sein zu wollen. Die Belebung dieses abendlich oft eher trostlosen Terrains kam fürs Orchester durchaus passend, denn in der Erlöserkirche wird derzeit die Innenausmalung fortgesetzt - besser kann es nicht zusammengehen. Doch wird die Akustik der neuen Spielstätte auch mitspielen?
Erstaunlich gut, weil nachhallarm, so lässt sich das Ergebnis auf einen gemeinsamen Nenner von Publikum, Dirigent Ud Joffe und 23 Saitenstreichern bringen, die sich allesamt unter dem „English Strings“-Konzerttitel an kurzweiligen und gefühlsintensiven Piecen erfreuen können.
Den ersten Gruß von der Insel schickt Sir Willam Turner Walton mit zwei Titeln aus seiner Filmmusik zu „Heinrich V“. Doch ehe sie erklingen, trägt Michael Schrodt, Schauspieler aus dem Ensemble des Hans Otto Theaters, hinter dem Rücken des Publikums ein Sonett von William Shakespeare vor: „Aus meiner Tinte Schwarz leuchtest Du …“ Nun darf die „Passacaglia – Falstaffs Tod“ erklingen: düster, tonklar, transparent. Kaum verklungen, rezitiert der Mime in sachlicher, nicht immer endsilbenverständlicher Diktion weitere Verspoesie. Mit dem bewegt und sanftmütig musizierten Satz „Berühre ihre weichen Lippen und nimm Abschied“ kommt Sir William erneut zum Klingen.
In ähnlicher Verfahrensweise werden auch die sechs Sätze der „Capriol“-Suite von Peter Warlock textlich aufgebrochen. Mit weiteren Sonetten und moderner Prosa, vorgelesen von verschiedenen Stehorten rechts und links der Spielfläche. Unwillkürlich wähnt man sich in einem literarisch-musikalischen Salon, bei dem es um die Liebe in all ihren Facetten geht.
Energisch und kapriziös, elegisch und tanzbeschwingt, elegant schwebend oder springhüpfend ziehen die Sätze vorüber, überwiegend weich im Klang musiziert. Für Sir Edward Elgars klangsüffig musizierter Miniatur „Sospiri“ teilen sich die Musiker in drei Grüppchen auf, wohl um Klangüppigkeit vorzutäuschen. Auch dazu gibt’s ein Verslein. Ohne diese kommen gottlob Benjamin Brittens „Variationen über ein Thema von Frank Bridge“ aus. Mit ihnen setzte der Jungkomponist seinem Lehrer ein bleibendes Denkmal. Es zur Ehrung des Tonsetzers und seines 100. Geburtstages erklingen zu lassen, ist eine gute Wahl, erklingt es doch viel zu selten im Konzertsaal. Dabei handelt es sich um ironisch gebrochene Tanzformen, Stilepochen und Genres von der italienischen Bravourarie über den karikierten Wiener Walzer à la Ravel bis zum pompös-tränenreichen Trauermarsch. Die Musiker finden dafür den richtigen Tonfall: draufgängerisch, schmachtend, hummelflugartig oder klagend, weich bis spröde …
Der Musiker facettenreiches Spiel wird mit herzlichem Beifall bedacht.
Peter Buske
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