Kultur: Nachtigall und Lerche
Schlosskonzert mit der Kammerakademie
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Wolfgang Amadeus Mozart bekannte: „Er ist der Vater. Wer von uns was recht’s kann, hat’s von ihm gelernt.“ Gemeint war nicht sein väterlicher Freund Josef Haydn, sondern Carl Philipp Emanuel Bach. Den Komponisten der Frühklassik galt er als Originalgenie. Um Werk und Wirkung des zweiten Sohns von J. S. Bach drehte sich das Konzert der Kammerakademie Potsdam am Donnerstagabend im Schlosstheater am Neuen Palais. Beinahe hätte Carl Philipp Emanuel Bach, langjähriger Kammercembalist von Friedrich dem Großen, hier noch selbst musiziert, allein, nach 30 Dienstjahren wechselte er 1768 in die wesentlich bedeutendere Position eines Musikdirektors der fünf Hamburger Hauptkirchen. Doch auch von dort schickte er noch Kompositionen an seinen ehemaligen Brotherrn, wie etwa die Sinfonie F-Dur, deren Autograph in der königlichen Hausbibliothek vorliegt.
Es ist ein reifes Werk, das Vermächtnis eines langen Komponistenlebens, dem die Kammerakademie unter der Leitung von Jonathan Cohen neues Leben verleiht. Von den gezackten Anfangslinien des ersten Themas über viele harmonisch raffinierte Modulationen, die von Solostellen prägnant unterbrochen werden, bis zum Finale mit rauschenden Triolen ergibt das ein markantes Beispiel der höchst originellen Satzkunst mit zwölf obligaten Stimmen von Carl Philipp Emanuel Bach. Wenn nicht auf die vorgeschriebene Cembalo-Begleitung verzichtet worden wäre, hätte man den Meister quasi vor sich gesehen.
Dass er ihn fleißig studiert habe und ihm vieles verdanke, bekannte auch Josef Haydn, dessen Sinfonie Nr. 80 ein beredtes Zeugnis ablegt. Mit Schwung, Präzision und Spiellaune stürzen sich die Musiker ins gewittrig donnernde d-Moll-Tremolo des ersten Satzes. Übergangslos erscheint das zweite Thema in heiterster Tanzstimmung mit punktierten Noten, ein effektvoller Kontrast, der von der Kammerakademie lustvoll auf die Spitze getrieben wird. Herbe Töne erklingen im ausgedehnten Adagio und bäumen sich zu pathetischen Wogen auf. Kantig beginnt das Menuett, das von zwei Hörnern verstärkt wird und, bis auf das klagende Trio, von einem knackigen Staccato dominiert wird.
Schließlich kommt mit der Sinfonia concertante für Violine und Viola von Wolfgang Amadeus Mozart ein unverdient selten gespieltes Werk in das Rokokoambiente des Schlosstheaters. Es ist ein Meisterwerk, das weit über seine Zeit hinausweist und ganz mozartisch in Anlage und Instrumentation. Zu den reichhaltigen Streichern gesellen sich nur je zwei Oboen und Hörner. An den Soloinstrumenten stehen mit Yuki Kasai und Jennifer Anschel zwei Musikerinnen der Kammerakademie, die sich hervorragend ergänzen. Nachtigallengleich flirren die Geigentöne über die stützenden Äste des Orchesterklangs, während die Viola mit ihrem Lerchenklang weich und anschmiegsam antwortet. Was bei Yuki Kasai hell funkelt und glitzert, fast zu glatt und perfekt, erscheint in der opak getönten Viola von Jenny Anschel wie in einem dunklen Spiegel. Von leidenschaftlicher Unruhe und Melancholie erzählt das Andante mit sonor pulsierendem Klangteppich, über dem die Soloinstrumente ausgedehnt klagen und spintisieren dürfen. Mehrere Original-Kadenzen nach Mozart runden das gelungene Konzert ab, an dem sicher auch Carl Philipp Emanuel Bach seine Freude gehabt hätte. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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