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Kultur: Nackte Haut

Bernd Spriewald zeigt sich in der Galerie am Neuen Palais dem weiblichen Geschlecht sehr zugewandt

Stand:

Haut, viel nackte Haut ist an den Wänden der Galerie Am Neuen Palais zu sehen. Weibliche Haut, versteht sich, von den schöpferischen Händen eines männlichen Malers wahlweise auf Karton, Leinwand, Sperrholz oder Pressfaser gebracht. Die Damen lagern auf einem Sessel oder einer Chaiselongue und kokettieren mit ihren weiblichen Reizen. Angesichts der knapp sitzenden Mieder, Strapse und High-Heels bietet sich dem Betrachterblick ein breit gefächertes Panoptikum erotischer Verführbarkeit und zur Schau gestellter Lust. Gespeist von derlei Phantasien, eröffnen sich vis-à-vis der (noch) vollständig bekleideten „A. auf einem Stuhl kniend“, ganz neue Perspektiven.

Bernd Spriewald zeigt sich in diesen Bildern als ein Kenner in mehr als einem Sinne. Dem weiblichen Geschlecht ganz offenkundig zugewandt versteht er es zudem, mit seinen Bildern ganze Sequenzen zu erzählen. Die Augenblicke, die der Maler geschickt inszeniert, bieten dem Betrachter reichlich Ansatzpunkte, um die ein oder andere Szene nach Lust und Laune weiterzudenken. Ob der Künstler bei seinen Aktdarstellungen nach Modell oder freier Vorstellungskraft arbeitet, interessiert da nicht unbedingt an erster Stelle.

Immer wieder wird ein abgestreifter Nylonstrumpf zum delikaten Signet für erlangte Sinnesfreuden, von denen solche keineswegs prüden Bilder wie „Spaß auf dem Tisch“ aufschlussreich Kunde geben.

Spriewald, der in den 70er Jahren in Braunschweig freie Kunst und Kunstgeschichte studierte, stellt, einmal abgesehen von seiner offensichtlichen Vorliebe für bestimmte Sujets, seine malerische Expertise aber auch noch in ganz anderer Hinsicht unter Beweis. Die bei Oswald ausgestellten Bilder lassen keinen Zweifel: Hier ist ein Maler zu entdecken, der sein Handwerk durch und durch versteht. Der sich stilistisch an den Errungenschaften vergangener Malereiepochen genährt hat und daran gewachsen ist. Ob in der Widergabe von Haut, von Stofflichkeit, welcher Art auch immer, ob im sicheren Gespür für die Wirkung von Farbe: der Maler Spriewald erweist sich als ein profunder Könner seines Fachs und als ein genauer Beobachter.

In manchen Bildern blitzt Spaß am Anekdotischen auf („Kleines Vergnügen, große Wirkung, gute Laune“) und die Freude daran, kleine Schwächen mit Humor zu kommentieren („Männer, die bereit sind, ihr Bestes zu geben“). Demgegenüber behalten jedoch Motive und Szenen, denen etwas mehr oder weniger latent Unheilvolles anhaftet, die Oberhand. Offen eskalierende Gewalt („Schießen lernen, Freunde treffen!“ oder „Kontrahenten“) begegnet genauso wie Einsamkeit in den Trinker-Bildern oder etwa in dem Bildnis „Verzweifelter Cellist“. Die Musiker, die Bernd Spriewald malt, sind nicht fröhlich und die Familie, die er porträtiert, erscheint auf seltsame Weise deformiert. Seelische Qualen, wohl auch selbst erlebte, gelangen vor allem in dem Bild „Die letzten Augenblicke der Freiheit“ eruptiv an die Oberfläche.

Fotorealistische Detailgenauigkeit oder dynamischer Pinselstrich: in der Umsetzung dieser sich keinesfalls auf erotische Kunst reduzierenden Themenpalette besitzt Spriewald die Virtuosität, technisch und stilistisch ein respektables Register zu ziehen.

Die in der Galerie am Neuen Palais gezeigten Variationen erotischer Wollust ebenso wie die gemalten Gewaltphantasien und zwanghaften Vorstellungen scheinen im Gesamteindruck miteinander verwandt. Als thematische Schnittmenge in Spriewalds Kunst erweist sich der Mensch als ein triebhaftes Wesen. Der Mensch, wie ihn Bernd Spriewald sieht, ist dieser Befangenheit preisgegeben bzw. ihr zum Teil auch ausgeliefert. Spriewald zeigt dies, ohne zu kategorisieren, zu moralisieren oder zu bewerten.

Vor diesem Hintergrund werden selbst die freizügigen Aktdarstellungen zu einem Angebot an den Betrachter, über die zu urteilen keinem anderen als ihm selbst obliegt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Bis zum 4. Mai. Öffnungszeiten: Fr-So 13.00–18.00 Uhr, Galerie am Neuen Palais, Am Neuen Palais 2A.

Almut Andreae

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