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Kultur: Nackte Uhren und beendete Täuschungen Käptn Peng brachten das Waschhaus zum Beben

Eisige Kälte, lange Schlangen, eine feindliche Sonntagnacht: Und dennoch gibt es Konzerte, die einfach glücklich machen, die einen aufatmen lassen, zum Strahlen bringen – kurzum: die schlicht und einfach den Abend retten.Nichts mehr und nichts weniger als dieses Gefühl wallte in einem auf und hielt sich hartnäckig, als am Sonntagabend in der ausverkauften Waschhaus-Arena Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi auf der Bühne standen.

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Eisige Kälte, lange Schlangen, eine feindliche Sonntagnacht: Und dennoch gibt es Konzerte, die einfach glücklich machen, die einen aufatmen lassen, zum Strahlen bringen – kurzum: die schlicht und einfach den Abend retten.

Nichts mehr und nichts weniger als dieses Gefühl wallte in einem auf und hielt sich hartnäckig, als am Sonntagabend in der ausverkauften Waschhaus-Arena Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi auf der Bühne standen. Die wurden allerdings ordentlich angefeuert: Das Berliner Duo Smith&Smart, fast schon Urgesteine der Szene, reduziert Hip-Hop auf das elementare Kopfnicken, indem es in der Musikgeschichte wildert. Ein Mashup aus Kriss Kross, Cypress Hill und den Fantastischen Vier in weniger als einer Minute? Kein Problem. Maxwell Smart – immerhin schon Anfang 40 – und der DJ Robert Smith bauen Soundcollagen aus Evergreens, denen sie ihren eigenen Stempel verpassen – und damit die Partygarantie gepachtet haben.

Aber die Könige des Abends und von allen sehnsüchtig Erwarteten verzogen sich erst einmal im Nebel: Käptn Peng und Band setzten auf Effekte, wobei Licht und Nebel am effektivsten sind. Und das letzte Konzert einer Tour ist sowieso etwas ganz Besonderes. Jede Band wünscht sich sicherlich so einen Abschluss wie diesen. Der Fokus der Songauswahl lag natürlich auf dem letzten Album „Expedition in O“, und es war erstaunlich, wie textfest sich die Angereisten gaben. Nun hat Käptn Peng nicht gerade wenig Text und muss deshalb auch eine ausgefeilte Memorierungstechnik haben.

Ja, irgendwie war das Konzert auch ein wenig außerplanetarisch, was nicht zuletzt an der feinsinnigen Metaphorik der Texte liegen mag: „ Meine Uhr ist nackt, weil die Zeit kein Kleid hat“, erklärte Peng, dessen leicht gepresste Stimme zumindest live leicht an Jan Delay erinnerte – das war nicht zu überhören. Und so ging es voran mit Songs über gigantisch große Fahrradspeichen, die Radspeichen Gottes, bis das Konzert mit dem Song „Sockosophie“ in der Spirale der Aufmerksamkeit seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte: die schönste Schizophrenie, die jemals erfunden wurde. „In jeder Enttäuschung liegt auch das Ende einer Täuschung“, philosophierte Peng und strich für diesen Scharfsinn den Zwischenapplaus ein.

So wurde dem Hip-Hop das Lyrische zurückgegeben, mit ganz viel augenzwinkernder Weisheit: „Es gibt keine besseren Geschlechterpartner als seine eigenen zwei Seiten“, belehrte Peng das Publikum. „Man geht immer in die Apotheke rein und kommt aus der Apotheke raus.“ Und so wurde die Waschhaus-Arena zu einem Ort, an dem die Emotionen hochkochten, während draußen vor der Tür die eisige Kälte lauerte. „Ball flach, Herz auf, ich will euch mit Liebe quälen“, sagte Peng derweil, während die, denen es warm ums Herz wurde, ihn fast anflehten – so als dürfe es niemals, niemals ein Ende dieses Abends geben.

Dieses Highlight scheint aber auch ein Signal zu sein, nicht nur für die Band und das Publikum. Ein Signal dafür, dass das Team vom Waschhaus konsequent in die Richtung weitermacht, in die es letztes Jahr die Weichen gestellt hat. Und dieses geniale Konzert scheint der Paukenschlag zu sein, dass man auch in diesem Jahr genau das vorhat. Man darf weiter vorfreudig gespannt sein. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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