Kultur: Nähe zwischen Lachen und Weinen
Dagmar Manzel in „Nachbarinnen“ im Filmmuseum
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Für Regisseurin Franziska Meletzky war das 140. der „aktuellen“ Filmgespräche im Filmmuseum so, als besuche sie alte Freunde. Ihr Debütfilm „Nachbarinnen“ führte sie, die Hauptdarstellerin Dagmar Manzel und den Radio-Eins Moderator Knut Elstermann drei Jahre zurück. Eine Ewigkeit im Filmgeschäft. „Nachbarinnen“, ein kammerspielartiger Film über eine ungewöhnliche Beziehung zwischen zwei Frauen im „besten“ Alter, markierte für die 1973 geborene HFF-Absolventin den Beginn einer „Manzel-Trilogie“. Augenblicklich steckt das Duo nämlich bereits in der Vorbereitung, ihre zweite gemeinsame Produktion „Frei nach Plan“ (mit Corinna Harfouch) für die Filmfestivals in Shanghai und München fertig zu machen.
Manzel und Meletzky, so scheint es, haben seitdem eine produktive Einheit gebildet. Wie ein „Pfeiler“ seien die beiden in dem Bestreben, sagte die Regisseurin, die Nähe zwischen „Lachen und Weinen“, die sich in ihren Stoffen immer fände, weiter zum Verschwinden zu bringen.
Auch „Nachbarinnen“ bezieht seinen Reiz von dem engen Nebeneinander von Freud und Leid. Der Film spielt in der „Platte“ am Rande von Leipzig. Nicht direkt autobiographisch erzähle sie ihre Geschichten, so Meletzky, aber doch „auf abgefahrene Weise privat.“ Die Regisseurin ist in dem Neubaugebiet aufgewachsen.
Dagmar Manzel spielt hier die Dora, eine verbitterte Paketfahrerin der Post, die zuhause ihre Kakteensammlung entstaubt, nachdem ihr Mann sie nach 19 Jahren Ehe verlassen hat. Manzel schätzte an der Rolle, dass sie „reduziert“ gespielt werden musste, während sie auf der Bühne häufig emotional aus sich heraus treten muss. Hier reicht ihr ein missbilligender Blick, ein scheuer Augenaufschlag, um über Doras Innenwelt Auskunft zu geben. Diese zarten Gefühlswallungen gelten Jola, gespielt von der polnischen Schauspielerin Grazyna Szapolowska. „Sie erfüllt alle Kriterien einer Diva“, erinnerte sich die Regisseurin an die erste Begegnung mit dem polnischen Star. „Du bist ein Baby, du kannst doch nicht Regie führen!“, waren Szapolowskas harsche Worte bei ihrer ersten Begegnung. Meletzky aber überzeugte die Schauspielerin, die hier besonders durch Krysztof Kieslowskis Dekalog bekannt sein dürfte, an ihrem Projekt mitzuwirken.
Auch wenn das Script, so die Filmemacherin, um die beiden „wundervollen Frauen“ arrangiert wurde, glänzen auch die Nebenrollen. „Weil sie keine Zeit bekommen können, sich zu entwickeln“, so Meletzky, „müssen sie auf andere Art ein Hammer sein.“ Die Hausmeisterin Gabi, die so hingebungsvoll die Streben des Treppengeländers poliert, wird von Ramona Libnow in ihrer kleinbürgerlichen Spionierneigung äußerst glaubwürdig verkörpert.
Die wichtigste Nebenrolle allerdings hat der Potsdamer Jörg Schüttauf inne. Franziska Meletzky musste an dieser Stelle des Gesprächs so schmunzeln, dass der gut gefüllte Kinosaal davon angesteckt wurde. „Wir wussten bis zum letzten Drehtag wirklich nicht, ob er je das Drehbuch gelesen hat“, erzählte die Regisseurin. Bei einer Szene an einem Ententeich, in der Dora und der von ihm gespielte Conny sich schließlich doch näher kommen, verließ sie sich einfach auf das Improvisationstalent ihrer Stars. „Es ist Quatsch, mit Schüttauf so eine Szene zu proben“, so ihre Erfahrung mit dem für seine Eigenwilligkeit bekannten Darsteller.
Heraus gekommen ist eine dieser Szenen, die diesen feinfühligen Film besonders sehenswert machen. Dagmar Manzels Lächeln schwankt zwischen Trauer vor dem Verlust von Jola und der Freude, mit Conny einen Freund gefunden zu haben. Und Jörg Schüttauf blitzende Augen spiegeln den Kumpel, den Witzbold und auch den schüchternen Liebenden.
Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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