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Kultur: Napoleon: Preis der Macht

Sinfoniekonzert des Neuen Kammerorchesters

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Das Bild der Deutschen von Napoleon pendelte immer zwischen Halbgott und Ungeheuer. Am Anfang herrschte die pure Bewunderung. Deutsche Dichter feierten den Revolutionsgeneral in überschwänglichen Versen. Als begeisterter Anhänger der Französischen Revolution und Bewunderer Napoleons war auch Beethoven ganz von diesem Geist beseelt als er 1800/1801 die Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus komponierte. Napoleon wurde damals häufig mit dem Halbgott Prometheus verglichen, der den Göttern das Feuer (also den Verstand) stahl, um die unvollkommenen Menschen damit zu vollenden und zu befreien.

Drei Jahre später schrieb Beethoven seine dritte Sinfonie, die Eroica. Im Schlusssatz erscheint ein Thema, das er schon in der Prometheus Ballettmusik verarbeitet hatte. Mehrfach greift Beethoven französische Revolutionsmusiken auf. Die Marcia der Eroica ist der erste Trauermarsch in einer Symphonie. Ohne Zweifel werden Beethovens Zeitgenossen die politische Andeutung verstanden haben. Es ist überliefert, dass die Eroica als Lobessinfonie gedacht war und Beethoven sie dem Konsul Napoleon Bonaparte hat widmen wollen. Als er von dessen eigener Kaiserproklamation 1804 hörte, habe Beethoven wutentbrannt das Titelblatt zerrissen. Solche Reaktionen blieben vorerst Einzelstimmen – auch dann, als Napoleon erneut einen Krieg entfesselte. Im Oktober 1806 wurde Preußen vernichtend geschlagen. Als die siegreichen Regimenter mit Napoleon an der Spitze durch das Brandenburger Tor in Berlin einzogen, empfing sie, wie die Vossische Zeitung berichtete, „eine unermeßliche Menge Volkes mit den lebhaftesten Freudenbezeugungen“. Bald schwand der Nimbus der Unbesiegbarkeit, die Stimmung schlug um und mündete 1813 zumindest in Preußen in eine Erhebung gegen Napoleon, in dem man dann sogar den „Sohn Satans“ sah. Allerdings wendedete sich die Stimmungslage schon bald nach 1815 wieder, einmal mehr die Folge enttäuschter Hoffnungen auf eine demokratische Entwicklung. Statistiken besagen, dass die Eroica während des Zweiten Weltkriegs besonders häufig in deutschen Konzertsälen zu hören war. Das Werk eines revolutionären Heldentums trat nun – bewusst oder unbewusst - in den Dienst der psychologischen Kriegsführung.

Zur gleichen Zeit verwendete ein aus Deutschland vertriebener Komponist einen ganz anderen Bezug. Auf eine Gedichtvorlage von Lord Byron komponierte Arnold Schönberg 1942 die Ode an Napoleon, eines seiner wenigen politisch motivierten Werke. „Der Text ist voll von Andeutungen auf Hitler und unsere heutigen Ereignisse“. so der Komponist. Lord Byron war, wie Beethoven, ein von seinem Idol Enttäuschter. Die drastische Textvorlage erlaubte es Schönberg, die politische Situation Anfang der 1940er Jahre musikalisch pointiert darzustellen.

Das Werk wird in der Originalbesetzung für Streichquartett, Klavier und Sprecher aufgeführt. Dazu konnte das 1995 gegründete Talis Quartett gewonnen werden. Die Partie des Sprechers hat Andreas Herrmann übernommen. Die Eroica musiziert das Neue Kammerorchester. Die Leitung hat Ud Joffe. Christian Seidel

9. 11., 19.30 Uhr, Erlöserkirche

Christian Seidel

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