Kultur: Natur, Bücher und Braten mit Kraut
Fotografien von Arno Schmidt auf der Freundschaftsinsel
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Ein Feld im Morgenlicht, eine Lichtung, eine Schubkarre im Schuppen. Fotos eines Autors. Das literarische Werk Arno Schmidts, eines der bedeutendsten deutschen Nachkriegsautoren, gilt als schwierig und experimentell, als Stoff für germanistische Seminare. Die Unmittelbarkeit und Leichtigkeit seines weitgehend unbekannten fotografischen Werks jedoch, das gerade im Pavillon der Freundschaftsinsel zu sehen ist, kann sogar die Neugier auf den Schriftsteller neu entfachen. Eventuell, wie Bernd Rauschenbach von der Arno Schmidt Stiftung hoffte, auch einen „leichteren und fröhlichen“ Schmidt vermitteln helfen.
Zum Beginn der Ausstellungssaison, die traditionell an Karl Försters Geburtstag am 9. März von dem Freundeskreis des blühenden Eilands eröffnet wird, schlug der langjährige Leiter der fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie, Janos Frecot, einen Bogen zwischen Texten des Gärtnerphilosophen und ersten Inselgärtners Förster und Schmidts Bildern. In seinem Buch „Glücklich durchbrochenes Schweigen“, so der Ausstellungsmacher, „liefert Förster praktisch Beschreibungen zu den Schmidt’schen Fotografien.“ Die Frühlingsmahnung für jung und alt, von der Förster 1937 schreibt, findet sich in den feinen Knospen und dem feurigen Licht wieder, dem Schmidt so intensiv nachspürte.
Menschen, so scheint es, haben Arno Schmidt weit weniger interessiert. Zweimal taucht sein langer Schatten ins Bild, auf einem anderen pflückt eine Landschönheit Pflaumen, während sie in die Kamera lacht, eine andere Frau arbeitet im Heu.
Aus 2500 Bildern, die Arno Schmidt mit einer doppeläugigen Spiegelreflexkamera von seiner langjährigen Heimat Bargfeld in der Lüneburger Heide aufnahm, wählte Frecot 50 für die Schau aus. „4 x 4“ lautet deren Titel, denn Schmidt verwendete ein seltenes Quadratformat.
Die Aufnahmen wirken zunächst genauso bescheiden und unspektakulär, wie das holzverkleidete Haus in Bargfeld, das Schmidt mit seiner Frau von 1958 bis zu seinem Tode 1979 bewohnte und auch oft ablichtete. Hier in der Heide hatte er, der Kriegsflüchtling, endlich eine „ihm gemäße Landschaft“ gefunden. Die Alpenlinie, so urteilte Schmidt, besäße dagegen eine „widerliche Majestät“. „Gebt mir Flachland“, lautete sein Wunsch. Wie viel diese Landschaft dem Schriftsteller bedeutet haben mag, wurde aus den Textauszügen deutlich, die Rauschenbach vor den mehr als sechzig Eröffnungsgästen vortrug. „Das Verlässlichste“, so urteilte Schmidt mit dem ihm eigenen Humor, „sind die Naturschönheiten, dann die Bücher und dann Braten mit Sauerkraut.“
Dem Licht nach zu urteilen, das auf den Bildern vorherrscht, erforschte Schmidt diese Landschaft oft in den frühen Morgenstunden oder spät am Abend. Eine gewisse Kauzigkeit ist auch in der Motivauswahl zu erkennen. Mal schiebt sich der Stamm einer Birke mitten ins Bild, dann ist es eine haushohe Sonnenblume, die Schmidts Aufmerksamkeit erregt. Die Bilder, so hat Frecot herausgefunden, folgten vielfach dem „goldenen Schnitt“, sie entsprechen damit dem urmenschlichen Harmoniegefühl. Die Spinnweben des Altweibersommers, die Katzen, die in der Sonne spielen, hinter diesen vermeintlichen Schnappschüssen steckt ein präzises kompositorischen Verständnis.
Die Aufnahmen der Wanderausstellung, die mit Potsdam in der zwölften Station zu sehen sind, sagen eine Menge über die Weltsicht des Arno Schmidt. Seine genauen Blicke in eine „gewöhnliche“ Landschaft zeigen Schönheit auf, wo sie nicht vermutet wird, offenbaren üppige Farben und eine Lebendigkeit im Stillen. Attribute, die auch für das schriftstellerische Werk gelten können. „Lesen sie es laut, lesen sie es jemandem vor“, so der Schmidt-Experte Rauchenbach, dann entdecke man auch in den Texten Arno Schmidts Sinnlichkeit und Witz. Matthias Hassenpflug
Pavillon auf der Freundschaftsinsel, bis 22. April, Mi.-So. 12-18 Uhr.
Matthias Hassenpflug
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