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Kultur: Neptuns neue Nachbarn

Historische und zeitgenössische Ergänzungen für den Neptunbrunnen im Lustgarten

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Historische und zeitgenössische Ergänzungen für den Neptunbrunnen im Lustgarten „Der Beherrscher der Hochsee legt den Dreizack zur Seite und sänftigt die Wasser. Dann ruft er Triton herbei, blasen soll er in die tönende Schnecke.“ Mit diesen Worten lobte schon der römische Dichter Ovid in seinen „Metamorphosen“ das in allen Wassern unschlagbare Duo von Neptun und Triton. Seit 1748 konnte auch der erst wenige Jahre regierende Friedrich II. den antiken Meeresherrscher samt nassem Gefolge sein Eigen nennen. Als „Neptuns Triumph“ schmückten die Figuren von Johann Peter Benckert und Johann Gottlieb Heymüller nach einem Entwurf von Johann August Nahl im Lustgarten das Bassin für die königliche Prunkyacht unweit des Stadtschlosses. Aber wie am preußischen König aus Fleisch und Blut, so gingen auch an den ursprünglich aus Blei geformten, vergoldeten Brunnenfiguren die Zeitläufte nicht vorüber. Bereits 1788-93 arbeitete man die Neptungruppe in Sandstein um, in den folgenden Jahrhunderten wurden sie immer wieder ergänzt, zuletzt 1935. Der zweite Weltkrieg brachte die größten Zerstörungen. Doch erst in den 60er Jahren wurde das Becken zugeschüttet, die sechs verbliebenen Figuren abgebaut. Eine von ihnen, ein überlebensgroßer Triton mit erhobenen Armen, schmückte seit 1968 einen privaten Garten in Kleinmachnow und wurde erst 2002 entdeckt. Treibende Kraft bei der Wiedergewinnung von Potsdam größtem Brunnen ist ein Förderverein, dem Rudolph Freiherr von Ketteler, Chef des Mercure-Hotels, vorsitzt, unterstützt vom Rotary-Club „Alter Markt“. Der Arbeitsgruppe, viele Sponsoren und zahlreiche Helfer ist nicht nur die Rückführung des besagten Tritons aus dem privaten in den öffentlichen Raum zu verdanken, sondern auch die entscheidende Wiederbelebung des Brunnens. Denn hätte nur die restaurierte Sandsteinskulptur ihren angestammten Platz wieder eingenommen, wäre die Neptungruppe in weiten Teilen immer noch Fragment geblieben. Doch mit der bei gleicher Gelegenheit in Betrieb genommenen, temporären Stahl-Wasser-Licht-Installation der beiden Potsdamer Raiko Epperlein und Rainer Fürstenberg steht die ursprüngliche Gestalt des Brunnens mehr als nur in einzelnen Figuren vor Augen. Vor einem Jahr entstand ihre nun realisierte Idee, die historischen Steinskulpturen mit zeitgenössischen Mitteln zu ergänzen. Die fehlenden – und teils wohl für immer verlorenen - Figuren zeichnete Fürstenberg in ihren Profil- und Spannungslinien mit gebogenen Stahlrohren nach. Um auch eine Vorstellung von ihrer Plastizität zu vermitteln, sind die Rohre mit Sprinklerdüsen bestückt, aus denen stetig ein feiner Wassernebel sprüht. Zusammen mit der, leider nur bei Dunkelheit zu voller Geltung kommenden Beleuchtung Epperleins steht das verblüffende Bild der Neptungruppe vor Augen. Man könnte bekritteln, dass immer noch ein Stück weit Fantasie nötig ist, um die ursprünglichen Brunnenfiguren zu erkennen. Aber wirkt in Zeiten der Dekonstruktion jede Rekonstruktion bis ins Letzte nicht wie eine ewig-gestrige Reminiszenz? Auch wird man in der ersten Zeit noch bedauern, dass das Wasser bei einer Figur nicht ganz dem Willen Fürstenbergs folgen wollte. Dies ist wohl der kurzen Arbeitszeit von knapp zwei Wochen geschuldet und gewiss zu beheben. Denn entscheidend ist, dass Epperlein und Fürstenberg dem ursprünglichen Werk in der künstlerischen Idee ein gutes Stück weit folgten und trotzdem ihre Arbeit gleichwertig daneben erscheint. So umgeht der neu-alte Neptunbrunnen im glücklichen Verquicken von Geschichte und Gegenwart dem Vorwurf, geschichtsklitternd eine Pseudo-Tradition fortzuschreiben. Und nicht nur Neptun kann sich über neue Nachbarn freuen. Götz J. Pfeiffer Seite 11

Götz J. Pfeiffer

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